Samstag, 25. Januar 2025

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Der Staat, den es nicht mehr gibt

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Rolf Busch schil­dert in der Jgst. Q2 des St.-Ursula-Gymnasiums sei­ne Flucht aus der DDR. (Foto: Doris Ken­ne­mann)

Was ver­an­lasst einen ehe­ma­li­gen, mitt­ler­wei­le 82-jäh­ri­gen Leh­rer immer wie­der ein­mal sei­ne alte Wir­kungs­stät­te, das St.-Ursula-Gymnasium, auf­zu­su­chen? Für den Atten­dor­ner Rolf Busch ist es beson­ders das Bedürf­nis etwas zu ver­mit­teln, das in sei­nem Fach­un­ter­richt (Bio­lo­gie, Che­mie, evan­ge­li­sche Reli­gi­on) nicht mög­lich war. So nahm er die Ein­la­dung der Geschichts­leh­rer Doris Ken­ne­mann und Chris­toph Schul­te gern an, um in der Jgst. Q2 mit den sehr inter­es­sier­ten Jugend­li­chen über den „Staat, den es nicht mehr gibt“ ins Gespräch zu kom­men.

Busch schil­der­te zunächst sei­ne Kin­der- und Jugend­zeit in der DDR. Er wur­de 1939 in Frei­berg / Sach­sen gebo­ren und hat­te durch sein Eltern­haus und ande­re Ein­flüs­se schon in der Schul­zeit Schwie­rig­kei­ten mit dem DDR-Sys­tem klar­zu­kom­men. Zwi­schen dem Abitur und dem Stu­di­um leis­te­te er die obli­ga­to­ri­sche „Bewäh­rung in der Pro­duk­ti­on“ als Schicht­ar­bei­ter in einem Stahl­werk ab. In die­ser Zeit nahm der Staats­si­cher­heits­dienst (Sta­si) Kon­takt zu ihm auf, um ihn als infor­mel­len Mit­ar­bei­ter (IM) anzu­wer­ben. „Da stand für mich fest, dass ich die­sen Staat ver­las­sen muss­te“, schil­dert Busch den Moment, in dem sei­ne Ent­schei­dung zur Flucht fiel. Am 31. August 1958, einen Tag vor Auf­nah­me sei­nes Stu­di­ums, hat er unter dem Vor­wand, Urlaub an der Ost­see zu machen zu wol­len, nur mit einem klei­nen Kof­fer und eini­gen unver­däch­ti­gen Uten­si­li­en die DDR über West­ber­lin ver­las­sen. Dies bedeu­te­te für den damals 19-jäh­ri­gen eine Tren­nung von sei­ner Fami­lie auf unge­wis­se Zeit, da ihm beson­ders nach dem Mau­er­bau 1961 bei Ein­rei­se in die DDR die Sta­si mit Zucht­haus­stra­fe bis zu zehn Jah­ren droh­te.

Im „Gol­de­nen Wes­ten“, wie die Bun­des­re­pu­blik im DDR-Jar­gon genannt wur­de, hat­te Busch zunächst einen schwie­ri­gen Start. Sein Abitur­zeug­nis, des­sen Nega­tiv er über die Gren­ze geschmug­gelt hat­te, wur­de erst nach einem sechs­mo­na­ti­gen „Ergän­zungs­lehr­gang für SBZ-Abitu­ri­en­ten“ mit har­ten Prü­fun­gen aner­kannt. Doch so konn­te er sei­nen Berufs­wunsch Leh­rer zu wer­den end­lich erfül­len, was ihm in der DDR man­gels Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit ver­wehrt war.

Der Fall der Mau­er im Jahr 1989 kommt Busch nach all sei­nen Erleb­nis­sen noch immer wie ein Traum vor. „Heu­te ist vie­les von dem, was die Men­schen in Ost und West 40 Jah­re lang bestimmt hat, bereits in Ver­ges­sen­heit gera­ten bzw. der jun­gen Gene­ra­ti­on kaum bekannt.“, begrün­det Rolf Busch sei­nen klei­nen, per­sön­li­chen Bei­trag zur Erin­ne­rung. Sein ein­drück­li­cher und leb­haf­ter Vor­trag ließ für die sicht­lich beein­druck­ten Jugend­li­chen ein Stück Zeit­ge­schich­te leben­dig wer­den. „Es war sehr inter­es­sant, nicht nur aus den Geschichts­bü­chern son­dern von einem Betrof­fe­nen selbst eine rea­lis­ti­sche Schil­de­rung über die Ver­hält­nis­se in der DDR zu bekom­men“, fasst Rosan­na Blu­me ihre Ein­drü­cke zusam­men.

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