Apotheke? Ist für Christin-Marie Stamm mit 31 Jahren und gesundheitlich in bester Verfassung eigentlich kein Thema. Jedenfalls privat. Als Politikerin jedoch hat sich die SPD-Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Olpe nun in der Attendorner Apotheke von Jörg Lehmann ein Bild von den aktuellen Problemen in der Arzneimittelversorgung gemacht. „Nur wer weiß, was die Apotheke vor Ort leistet, kann sich vorstellen, was es bedeutet, wenn es eines Tages keine Apotheke mehr in der Nähe gibt“, begrüßt Jörg Lehmann dieses Engagement der Politikerin.
Ein Szenario, das Lehmann, der berufspolitisch im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) engagiert ist, für nicht völlig unwahrscheinlich hält. Denn zu Februar sei die Vergütung der Apotheken durch den Bundesgesetzgeber gekürzt worden, um die Finanzierungslücke der gesetzlichen Krankenkassen zu decken, erläutert er der Abgeordneten. Das Apothekenhonorar sei aber in den vergangenen 20 Jahren nur ein einziges Mal erhöht worden – um gerade einmal drei Prozent. Bei steigenden Kosten und hoher Inflation sei das Honorar mithin real deutlich geschrumpft. „Die zusätzliche Kürzung der Vergütung wird einige Apotheken nun in Schieflage bringen“, warnt Lehmann.
Zumal sie für hochpreisige Arzneimittel teils fünfstellige Wareneinsätze pro Arzneimittelpackung vorfinanzieren müssten – und obendrein das Risiko trügen, dass die Krankenkassen diese Beträge am Ende nicht erstatteten, sondern die Apotheken wegen kleinster Formfehler auf dem Rezept in Regress nähmen. „Und das, obgleich die Patienten genau das vom Arzt verschriebene Arzneimittel erhalten haben“, so Lehmann.
Zugleich müssten die Apotheken vor Ort einige Leistungen unentgeltlich erbringen – nicht zuletzt das Management der Arzneimittellieferengpässe. Lehmann rechnet vor, dass eine Fachkraft in seiner Apotheke nicht selten etwa eine Stunde Zeit aufwenden muss, um eine Lösung für Patienten zu finden, deren Arzneimittel nicht verfügbar sind: vom Anruf in der Arztpraxis, der Zeit in der Telefonwarteschleife, dem Gespräch mit dem Praxisteam über die Abholung des neuen Rezeptes aus der Praxis, Bestellung des alternativen Präparates beim Großhandel bis hin zur Lieferung per Boten an den Patienten.
Fachkräfte allerdings sind in den Apotheken vor Ort ebenfalls knapp. „An der Universität Münster, dem einzigen Studienstandort in Westfalen-Lippe, können für den Personalbedarf in den Apotheken vor Ort nicht genügend Pharmazeuten ausgebildet werden. Wir brauchen daher dringend einen zweiten Studienstandort in Westfalen-Lippe“, fordert AVWL-Geschäftsführer Bernd Rademacher.
Denn nahezu jeder dritte Apothekeninhaber in Westfalen-Lippe ist älter als 60 Jahre und geht in den kommenden Jahren in Ruhestand. „Nachfolger zu finden, ist sehr schwierig, gerade im ländlichen Südwestfalen“, so Rademacher. „Die Apotheken brauchen deshalb eine auskömmliche Vergütung, verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit“, fordert er.
Sorgen, die die SPD-Politikerin Christin-Marie Stamm mit in ihre Fraktion nach Düsseldorf tragen will. „Die Apotheken vor Ort sind ein unverzichtbarer Teil unseres Gesundheitssystems“, erklärt sie. „Sie sind zudem in unseren südwestfälischen Kommunen wichtige Knotenpunkte des sozialen Netzwerkes und Austauschs. Wir müssen daher Sorge dafür tragen, dass sie nicht verschwinden.“
Der Apothekerverband Westfalen-Lippe e.V. (AVWL):
Die Apotheken in Westfalen-Lippe versorgen die Bevölkerung mit lebenswichtigen Arzneimitteln, sie beraten die Menschen kompetent und vertraulich und erbringen wohnortnah pharmazeutische Dienstleistungen. Der AVWL vertritt die Interessen von mehr als 1.300 Apothekeninhabern mit annähernd 1800 Haupt- und Filialapotheken. Er versteht sich als Zweckverband für die wirtschaftlichen, rechtlichen und berufspolitischen Interessen seiner Mitglieder und vertritt diese nach außen.
Weitere Informationen unter www.apothekerverband.de