Freitag, 24. Januar 2025

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Von Bach bis Blues – 70 Jah­re Evan­ge­li­scher Posau­nen­chor Atten­dorn

Am dies­jäh­ri­gen Refor­ma­ti­ons­tag wird die Evan­ge­li­sche Kir­chen­ge­mein­de Atten­dorn-Len­ne­stadt trotz deut­li­cher Ein­schrän­kun­gen durch die Coro­na-Kri­se einen in mehr­fa­cher Hin­sicht denk­wür­di­gen Got­tes­dienst in der Erlö­ser­kir­che fei­ern: zum einen wird der lang­jäh­ri­ge Pfar­rer Dr. Chris­tof Gro­te in sein neu­es Amt als Super­in­ten­dent ver­ab­schie­det, zum ande­ren dankt die Gemein­de auch für das 70-jäh­ri­ge Bestehen des Evan­ge­li­schen Posau­nen­cho­res Atten­dorn.

Von der Schü­ler­idee zur Grün­dung am Refor­ma­ti­ons­tag

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Der jun­ge ev. Posau­nen­chor auf Burg Bil­stein, in kur­zer Hose und mit Wald­horn der Pri­ma­ner und spä­te­re Super­in­ten­dent Eber­hard Röh­rig (Foto: pri­vat)

Erst­mals am Refor­ma­ti­ons­tag 1950 beglei­te­ten vier jugend­li­che Blä­ser den Gemein­de­ge­sang zu Luthers zuver­sicht­li­chem Ver­trau­ens­lied „Ein fes­te Burg ist unser Gott“. Der jun­ge Eber­hard Röh­rig – damals Ober­pri­ma­ner am Rivi­us-Gym­na­si­um und spä­ter Super­in­ten­dent in Wup­per­tal – hat­te die Initia­ti­ve ergrif­fen und mit den drei gleich­ge­sinn­ten Mit­schü­lern und Brü­dern Die­ter, Klaus und Wolf­gang Dem­trö­der den evan­ge­li­schen Posau­nen­chor ins Leben geru­fen.

Am Anfang ein ehr­wür­di­ges „Kuh­lo-Horn“

johannes kuhlo mit kuhlohorn
Johan­nes Kuh­lo mit Kuh­lo-Horn
(Foto: pri­vat)

Das ers­te Instru­ment hat­te Pfr. i. R. Johan­nes Tho­mä den Jugend­li­chen zur Ver­fü­gung gestellt: sein alt­ehr­wür­di­ges „Kuh­lo-Flü­gel­horn“, des­sen Name an die Grün­der­vä­ter evan­ge­li­scher Posau­nen­chö­re zur Zeit der Erwe­ckungs­be­we­gung im 19. Jahr­hun­derts erin­nert.

Vater und Sohn Kuh­lo hat­ten den 150. Psalm beim Wort genom­men und setz­ten sei­nen Auf­ruf „Lobet den Herrn mit Posau­nen“ bei Mis­si­ons­fes­ten und Groß­ver­an­stal­tun­gen unter frei­em Him­mel kon­se­quent in eine Musik von Lai­en-Chö­ren um, deren Mit­te der „gesang­lich“ gebla­se­ne Cho­ral war. Wäh­rend Vater Edu­ard Kuh­lo sein Werk im Min­den-Ravens­ber­ger Land begon­nen hat­te, soll­te Sohn Johan­nes, der nach dem Vika­ri­at im Ham­bur­ger „Rau­hen Haus“ bei Johann Hin­rich Wichern zum Pfar­rer der Bodelschwing´schen Anstal­ten in Bethel beru­fen wur­de, die Blä­ser­ar­beit in die Aus­bil­dung der jun­gen Dia­ko­ne inte­grie­ren. So ging zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts in Bie­le­feld die Rede um, dass man in Bethel mit dem Flü­gel­horn auf die Welt kom­me und erst bla­sen und dann lau­fen ler­ne.

Ermu­ti­gen­des Echo und ers­te Musi­ke­rin­nen

Der Atten­dor­ner Posau­nen­chor – am 31.10.1950 in der Sau­er­län­der Dia­spo­ra „aus der Tau­fe geho­ben“ und dank Unter­stüt­zung evan­ge­li­scher Fabri­kan­ten und Geschäfts­leu­te schon bald mit wei­te­ren Instru­men­ten und Noten­ma­te­ri­al aus­ge­stat­tet – ist im Ver­gleich zu vie­len ost­west­fä­li­schen Chö­ren also recht jung. Umso erfreu­li­cher war das begeis­ter­te Echo auf den ers­ten Auf­tritt der jugend­li­chen Lai­en­mu­si­ker. Im Advent 1951 musi­zier­ten bereits 10 Blä­ser in der Gemein­de. Zum Jah­res­wech­sel 1951/52 begrüß­ten sie vom Schüt­zen­park aus, wo heu­te die Stadt­hal­le steht, nach dem Glo­cken­ge­läut auch mit Posau­nen­mu­sik das neue Jahr. Als Eber­hard Röh­rig zum Theo­lo­gie­stu­di­um Atten­dorn ver­ließ, lei­te­ten zunächst die Orga­nis­ten der Gemein­de, Gus­tav Fuhr­meis­ter und Olaf Strauß, den Chor wei­ter. 1962 über­nahm Paul Schweig­hö­fer die Auf­ga­be und stand vol­le 24 Jah­re lang dem Posau­nen­chor vor. In sei­ner Zeit kamen – moti­viert vom dama­li­gen Pfar­rer Peters im Kon­fir­man­den­un­ter­richt – wei­te­re Jun­gen und auch die ers­ten Mäd­chen dazu.

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Beim Sil­ves­ter­bla­sen (Foto: pri­vat)

Arbeit am 150. Psalm mit Höhen und Tie­fen

Seit­dem erlebt der Ev. Posau­nen­chor das vie­len Musik­ver­ei­nen ver­trau­te Auf und Ab, wenn jun­ge Enga­gier­te wegen Aus­bil­dung oder Hob­by, beruf­lich oder fami­li­är bedingt den Chor wie­der ver­las­sen müs­sen, oft aber andern­orts zur Freu­de der Gemein­de wie­der aktiv wer­den.

Die Ev. Kir­chen­ge­mein­de Atten­dorn-Len­ne­stadt ist den ehe­ma­lig und gegen­wär­tig Musi­zie­ren­den, ihren lang­jäh­rig enga­gier­ten Chor­lei­ten­den wie auch Gott sel­ber sehr dank­bar, dass das klei­ne Ensem­ble durch die Jahr­zehn­te sei­nem Ver­kün­di­gungs­auf­trag treu blei­ben und kürz­lich noch die Kon­fir­ma­ti­on in Gre­ven­brück beglei­ten konn­te. Mit den Instru­men­ten als „trag­ba­rer Orgel“ wer­den die Auf­er­ste­hungs-Andach­ten auf dem Ev. Fried­hof zu Ostern und am Ewig­keits­sonn­tag wie auch Advents­an­dach­ten am gro­ßen Wichern­kranz beglei­tet. Das Selbst­ver­ständ­nis des Cho­res, als „Mit­ar­bei­ter am 150. Psalm“ musi­ka­lisch das Evan­ge­li­um zu ver­kün­den, ist über die Jah­re zen­tra­les Anlie­gen geblie­ben. Aller­dings geschieht dies nicht mehr allein mit Cho­rä­len und Flü­gel­hör­nern, son­dern einem moder­ni­sier­ten Instru­men­ta­ri­um und einem weit­ge­spann­ten Reper­toire anspruchs­vol­ler Blä­ser­li­te­ra­tur, wel­ches in Got­tes­diens­ten und unter frei­em Him­mel mit Swing und Spi­ri­tu­al, Bach und Blues auch Kir­chen­fer­ne begeis­tert.

Vie­le Wech­sel und Wach­sen­de Öku­me­ne

Nach­dem Klaus-Gün­ther Schmidt – frü­her selbst Blä­ser bei Schweig­hö­fer – über 10 Jah­re den Chor gelei­tet hat­te, der beherzt über­neh­men­de Horst Nix­dorf nach enga­gier­ten Jah­ren früh ver­starb und Vero­ni­ka Drexeli­us über ein­ein­halb Jah­re den Chor wei­ter­ge­führt hat­te, wur­de mit Ste­fan Köh­ler 2008 erst­ma­lig einem Berufs­mu­si­ker das Diri­gen­ten­amt und die sich gut ent­wi­ckeln­de  Jung­blä­ser­ar­beit anver­traut. Nach sei­ner Pen­sio­nie­rung über­nahm Ste­phan Rei­sing den Diri­gen­ten­stab, unter des­sen Lei­tung im Refor­ma­ti­ons­ju­bel­jahr 2017 – unter­stützt von Musi­zie­ren­den aus Feu­er­wehr und Kir­chen­kreis – eine ful­mi­nan­te „Feu­er­werks­mu­sik“ beim Gus­tav-Adolf-Fest vor der Erlö­ser­kir­che auf­ge­führt wur­de. Die wech­sel­sei­ti­ge öku­me­ni­sche Unter­stüt­zung zwi­schen den Musik­ver­ei­nen hat so auf musi­ka­li­scher Ebe­ne frü­he­re kon­fes­sio­nel­le Mau­ern längst über­wun­den.  Über Mit­blä­ser wur­den in den letz­ten Jah­ren zudem Kon­tak­te nach Nami­bia auf­ge­nom­men. 

Seit 2019 steht als aktu­el­ler Posau­nen­chor­lei­ter mit Juli­us Grie­se wie­der ein jun­ger Abitu­ri­ent am Pult, der – wie der dama­li­ge Grün­der Eber­hard Röh­rig – gera­de erst 18 Jah­re alt gewor­den ist.

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Feu­er­werks­mu­sik (Foto: pri­vat)

Gene­ra­tio­nen­über­grei­fen­des Musi­zie­ren

So haben in den zurück­lie­gen­den 70 Jah­ren meh­re­re Gene­ra­tio­nen jun­ger und jung­ge­blie­be­ner Gemein­de­glie­der im brei­ten Alters­spek­trum von 8–80 Jah­ren im Ev. Posau­nen­chor ein Blech­blas­in­stru­ment gelernt und beim Musi­zie­ren mit­ein­an­der Freund­schaft geschlos­sen. Wohl kaum eine ande­re Gemein­de­grup­pe kann ein so brei­tes Alters­spek­trum auf­wei­sen. Gemein­sam haben Alt und Jung Höhe­punk­te erlebt wie das beein­dru­cken­de „Flä­chen­gold“ bei Groß­ver­an­stal­tun­gen auf dem Deut­schen Evan­ge­li­schen Kir­chen­tag oder eine Chor­rei­se nach Linz-Gall­neu­kir­chen/ Ober­ös­ter­reich. Eini­ge blie­ben dem Musi­zie­ren zur Ehre Got­tes sogar über Jahr­zehn­te treu. Zu den Dienst­äl­tes­ten gehör­te etwa – stets an der Sei­te von Wil­helm Sterna­gel, der unter vie­len bereits ver­stor­be­nen Mit­mu­si­zie­ren­den zu nen­nen ist – der aus Schle­si­en stam­men­de Man­fred Metz­ner, wel­cher von 1959 bis 2011 das Bari­ton­horn spiel­te und den Chor in der Öffent­lich­keit ver­trat.

Aber auch der ehe­ma­li­ge Chor­grün­der, Super­in­ten­dent i. R. Pfr. Dr. Eber­hard Röh­rig, war noch bis vor kur­zem als Posau­nist aktiv. Krank­heits­be­dingt wird er lei­der nur in Gedan­ken von Wup­per­tal aus das Jubi­lä­um beglei­ten und am Com­pu­ter­bild­schirm der Strea­ming-Über­tra­gung des Got­tes­diens­tes fol­gen (auf www.evangelisch-in-attendorn.de ).

und auch im winter wenn es schneit
… auch im Win­ter wenn es schneit (Foto: pri­vat)

Gedämpf­te Töne in Coro­na-Zei­ten

Wie so vie­le Musik­ver­ei­ne und Chö­re hat auch der Posau­nen­chor unter Coro­na-Kri­se und feh­len­den Pro­ben ange­sichts der rea­len Gefahr einer Virus­über­tra­gung durch Aero­so­le sehr gelit­ten. Erst seit Kur­zem trifft man sich wie­der unter nöti­gen Hygie­ne­maß­nah­men und wird den Jubi­lä­ums­got­tes­dienst zum Refor­ma­ti­ons­fest und der Ver­ab­schie­dung von Pfr. Dr. Gro­te in bewusst klei­ner Beset­zung gestal­ten. Umso mehr freut sich die Chor­ge­mein­schaft aber, dass Kir­chen­mu­sik­di­rek­tor Ulrich Dieck­mann, west­fä­li­scher Posau­nen­wart des Posau­nen­diens­tes in der Ev. Kir­che von Deutsch­land, sein Kom­men zuge­sagt hat. Zudem wird der Fest­got­tes­dienst sei­nen voll­tö­nen­den Abschluss unter frei­em Him­mel mit dem Bach-Cho­ral „Nun dan­ket alle Gott“ fin­den, bei dem unter Ein­hal­tung der AHAL-Regeln auch wei­te­re ehe­ma­li­ge und akti­ve Blä­se­rin­nen und Blä­ser mit­wir­ken kön­nen.                                                                            

Der Ein­la­dung  der Psal­men, „jauchzt mit Trom­pe­ten und Posau­nen“ möch­ten die Musi­zie­ren­den unter sorg­fäl­ti­ger Beach­tung der not­wen­di­gen Hygie­ne­auf­la­gen auch wei­ter­hin ernst neh­men. „Von Bach bis Blues“ probt der Ev. Posau­nen­chor diens­tags um 19.15 Uhr in der Erlö­ser­kir­che.

Bei Inter­es­se an nähe­ren Infor­ma­tio­nen fin­den Musi­zie­ren­de hier Kon­takt: Jens Dol­lig­keit, Tel. 0151 6723 6711.

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