Das Bundesgesundheitsministerium sieht eine Entspannung bei Arzneimittelengpässen – die Apotheken vor Ort beurteilen das ganz anders. Aktuell sorgen sie sich, weil opioidhaltige Schmerzmittel knapp sind.
Es sind wieder mehr Arzneimittel für Kinder verfügbar, will eine Arbeitsgruppe des Bundesgesundheitsministeriums herausgefunden haben. Eine Feststellung, die Ulf Ullenboom, Vorsitzender der Bezirksgruppe Olpe im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL), nicht recht teilen kann. Vor allem aber warnt er: „Lieferengpässe gibt es nicht nur bei Kinderarzneimitteln, sondern auch bei Medikamenten für Erwachsene – mit ebenso dramatischen Folgen für die Betroffenen. Aktuell sind beispielsweise einige opioidhaltige Mittel, mit denen Schmerz- und Palliativpatienten behandelt werden, massiv von Engpässen betroffen.“ Dies sei insbesondere bei der Versorgung von Patienten in Pflegeheimen ein Problem. Besonders niedrig dosierte Präparate fehlten. Die Folge sei, dass häufig unnötig höher dosiert werden müsse und damit das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen steige.
In den Apotheken vor Ort würden die Beschäftigten zumeist Lösungen für die Patienten finden, beruhigt Ulf Ullenboom. Er warnt aber auch: „Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit den Lieferengpässen wissen wir, dass zumeist ein Schneeballeffekt einsetzt: Ist ein Präparat knapp, müssen wir auf eine Alternative ausweichen, die aufgrund der erhöhten Nachfrage alsbald auch nicht mehr zu bekommen ist.“
Salbutamol ebenfalls knapp
Während das Bundesgesundheitsministerium mit einer Gesetzesänderung im vergangenen Jahr versucht habe, zumindest bei den Kinderarzneimitteln Lösungen zu finden, fehlten wirksame Ansätze bei den Medikamenten für Erwachsene nach wie vor. So seien auch salbutamolhaltige Mittel zur Behandlung von Asthmatikern und COPD-Patienten schwer verfügbar, nennt Ulf Ullenboom weitere Beispiele aus dem Apothekenalltag. Noch immer stünden auf der Engpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte annähernd 470 Einträge. „Und selbst bei den Präparaten für Kinder greifen die Maßnahmen nicht recht“, so Ulf Ullenboom. Nach wie vor gebe es bei jedem zweiten Antibiotikasaft Probleme.
„Wir finden Alternativen – das setzt allerdings voraus, dass es auch Apotheken gibt, die sich in direkter Absprache mit dem Patienten und dem Arzt um die Probleme kümmern können. Und es setzt gerade im Fall der opioidhaltigen Schmerzmittel voraus, dass in diesen Apotheken auch Apotheker arbeiten“, so Ulf Ullenboom. Der Bundesgesundheitsminister plane derzeit eine Strukturreform und wolle Apotheken schaffen, in denen kein Apotheker mehr anwesend sein müsse. „Dort dürfen dann aber keine Betäubungsmittel wie Morphine abgegeben werden. Ebenso wenig können ohne Apotheker beispielsweise umfangreiche Medikationsberatungen und Impfungen durchgeführt werden“, kritisiert Ulf Ullenboom die Vorschläge der Politik und fügt hinzu: „Die Pläne des Ministers haben weite Wege für Patienten zur Folge und bedeuten letztlich deutliche Leistungskürzungen für die Bürger.“
Der Apothekerverband Westfalen-Lippe e.V. (AVWL):
Die Apotheken in Westfalen-Lippe versorgen die Bevölkerung mit lebenswichtigen Arzneimitteln, sie beraten die Menschen kompetent und vertraulich und erbringen wohnortnah pharmazeutische Dienstleistungen. Der AVWL vertritt die Interessen von rund 1.300 Apothekeninhabern mit 1700 Haupt- und Filialapotheken. Er versteht sich als Zweckverband für die wirtschaftlichen, rechtlichen und berufspolitischen Interessen seiner Mitglieder und vertritt diese nach außen. Weitere Informationen unter www.apothekerverband.de.