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Was tun bei Verbrennungen? Tobias Went möchte durch gezielte Aufklärung vor folgenschweren Fehlern schützen (Foto: DRK-Kinderklinik)

Der Frühsommer lädt zum Grillen mit Familie und Freunden ein. In Super- und Baumärkten oder auch an der Tankstelle finden sich neben Grillkohle und Co. leider auch viel zu häufig flüssige Brandbeschleuniger wie Spiritus. Doch jedes Jahr passieren allein in Deutschland rund 4000 Grillunfälle. „Viele der Verletzten sind Kinder, die oft auf Augenhöhe mit dem Grill stehen“, weiß Tobias Went, Oberarzt für Kinderchirurgie an der DRK-Kinderklinik und Spezialist in der Versorgung von Brandverletzungen. „Die Gefahr, die von Brandbeschleunigern ausgeht, ist leider vielen nicht ausreichend bekannt. Den Grill mit Spiritus anzufeuern ist wegen der Verpuffungsgefahr des Spiritus nicht nur leichtsinnig, sondern grob fahrlässig und gefährdet oft Unbeteiligte.“

Die Verbrennungen, die bei Unfällen mit Brandbeschleuniger entstehen können, sind oft sehr schwer und das Leid für den Verletzten und die Familie unendlich groß. Im Fall einer Verpuffung kann es zu meterhohen Stichflammen kommen, die in der Nähe befindliche Personen entzünden können. „In den meisten Fällen werden Kinder frontal von der Flammenwand erfasst und erleiden schwerste Verbrennungen an Kopf, Gesicht, Oberkörper sowie an den Armen“, berichtet Tobias Went aus Erfahrung. Dies ist mit großen Schmerzen verbunden und erfordert eine Vielzahl von Operationen und eine langwierige Behandlung. Ohne spezialisierte intensive Therapie sind die Verletzungen lebensbedrohlich und auch trotz optimaler Versorgung kann es gerade am wachsenden Kind zu bleibenden Bewegungseinschränkungen und lebenslang sichtbaren, teilweise entstellenden Narben führen. Deshalb sehen die Experten in der DRK Kinderklinik Siegen ihre wichtigste Aufgabe in der Aufklärung zur Vermeidung dieser schweren Verletzungen. „Nur das Verhindern des Unfalls kann wirklich effektiv vor den Folgen schützen“, betont Tobias Went immer wieder.

Doch was tun, wenn es trotzdem passiert? Zunächst sollte man das Feuer unter Beachtung der eigenen Sicherheit löschen. Brennende Kleidung kann mit einer Decke oder auch mit einem Mantel oder Wasser erstickt werden. Hier zählt jeder Moment. Verbrannte Kleidung muss entfernt werden, wenn sie nicht eingebrannt ist. Bei kleineren Verbrennungen an Armen und Beinen sollte die verbrannte Stelle sofort für zehn Minuten mit lauwarmen Wasser, auf keinen Fall kaltem Wasser, leicht gekühlt beziehungsweise vor allem

beruhigt werden. Dies kann die Tiefe der Verbrennung an der Haut reduzieren und lindert den ersten Schmerz. „In dieser Zeit geben sie – wenn vorhanden – ein Schmerzmittel beziehungsweise Fiebersaft und rufen den Rettungsdienst“, so Tobias Went. „Die Haut ist unser Tastorgan, vollgepackt mit Rezeptoren, die jetzt alle Alarm schlagen. Außerdem ist die Haut unsere Schutzschicht vor Schmutz und Umweltkeimen. Vermeiden sie deshalb Berührungen der verletzen Flächen und decken sie diese mit möglichst sterilem Verbandmaterial oder einer Rettungsdecke aus dem Verbandkasten locker ab, um Verschmutzungen und ein Auskühlen zu vermeiden.“

Auch sollte dem Kind ab jetzt zunächst nichts mehr zu essen oder zu trinken gegeben werden, da im Krankenhaus gegebenenfalls eine Narkose für die erste Wundversorgung erforderlich wird. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes muss das Kind beruhigt, betreut, getröstet und beobachtet werden. Sie dürfen und sollen ihr Kind nach Abdecken der Wunden natürlich in den Arm nehmen. Wichtig ist es auch, regelmäßig Bewusstsein und Atmung zu prüfen. Und: Es sollten keine Brandsalben, Binden oder Öle aufgetragen werden. Diese verhindern den Sauerstoffzutritt zur geschädigten Haut, halten die Hitze im Gewebe und verstärken das „Nachbrennen“, welches man mit dem anfänglichen Abspülen der Wunden zu verhindern versuchte. Auch wichtig laut Fachmann zu wissen: „Immer wieder werden dubiose Hausmittel auf die Wunden aufgebracht“, erklärt Tobias Went. „Diese schaden den Wunden meist und das Auftragen und vor Allem das spätere Entfernen schmerzt unnötig. Deshalb panieren sie die Wunden bitte nicht mit Mehl, Puder, Quark, Ei, Honig, Öl oder gar Zahnpasta. Bei großflächigen Verletzungen am Körperstamm sollte nicht gekühlt werden. Wird der Körper zu stark gekühlt verschlechtert dies die Überlebenschance.“

Noch einige Tipps von Paulinchen e.V. zum sicheren Grillen:

•             Grill kippsicher und windgeschützt aufstellen.
•             Niemals flüssige Brandbeschleuniger wie Spiritus oder Benzin verwenden – weder zum Anzünden noch zum Beschleunigen des Feuers – Explosionsgefahr!
•             Feste, geprüfte Grillanzünder aus dem Fachhandel verwenden. Auch Eierkartons sind eine gute Anzündhilfe.
•             Grill stets beaufsichtigen.
•             Kinder nicht in der Nähe des Grills spielen lassen – Sicherheitsabstand von 2 bis 3 Metern!
•             Grill nicht von Kindern bedienen oder anzünden lassen.
•             Kübel mit Sand, Feuerlöscher oder Löschdecke zum Löschen des Grillfeuers bereithalten.
•             Brennendes Fett niemals mit Wasser, sondern durch Abdecken löschen.
•             Nach dem Grillen das Grillgerät weiter beaufsichtigen, bis die Glut vollständig auskühlt ist.
•             Nicht in geschlossenen Räumen grillen und den Grill niemals zum Auskühlen ins Haus stellen – Vergiftungsgefahr!
•             Heiße Glut nach dem Grillen nie im Boden vergraben. Diese „Glutnester“ bleiben noch tagelang glühend heiß! Deshalb gilt: Die Grillkohle mit Wasser löschen und abkühlen lassen.
•             Einmalgrills am Strand mit Wasser löschen und abkühlen – auch den Sand unter dem Grill!

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