Mancher hat schon genug vom neuen Jahr, ehe es begonnen hat. Geschafft vom dritten herausfordernden Jahr in Folge verlieren
viele Menschen den Glauben, dass es bald besser werden könnte. Jahreswechsel-Optimismus ist kaum zu spüren, als größter Wunsch wird
„weniger Stress“ formuliert. Da der Kalender-Umsprung vom 31. Dezember auf den 1. Januar nur ein symbolischer Neuanfang ist, sind für einen nachhaltigen Aufbruch mehr als nur gute Vorsätze notwendig. Ein nachhaltiger Aufbruch im Jahr 2023 statt ein „weiter ins Abseits“ ist auch deshalb bedeutsam, weil das Jahr Potential dafür birgt, die Weichen für das nächste Jahrzehnt zu stellen.


Ehrlichkeit und Klarheit als Grundlage
Wir spüren, dass es ein „weiter so wie bisher“ nicht mehr geben wird. Das gilt für die Konflikte in der Welt, für unseren Lebensstandard und
Konsum, den Umgang mit Klimaveränderung und Energie wie auch für unsere Antworten auf die alternde Gesellschaft mit Auswirkungen auf
den Arbeitsmarkt und die Versorgungsstruktur in der Pflege. Dazu ganz konkret: Wir wissen als Caritasverband schon jetzt, dass uns im Jahr
2040 nur noch 50% der benötigten Personal-Ressourcen zur Abdeckung der Bedarfe in der Sozialwirtschaft zur Verfügung stehen. Der Fach-
kräfte- und Personalmangel wird die Löhne und Gehälter in diesen Bereichen sicher weiter beflügeln, muss aber auch zu mehr Innovationen
und Investitionen in arbeitssparende Technologien führen, auch im sozialen Bereich. Daran arbeiten wir als Caritas.


Bescheidenheit als Maxime
Wenn wir während der Corona-Zeit von einer „anderen Normalität“ gesprochen haben, ist jetzt eine „neue neue Normalität“ zu erwarten. Einfluss auf diese Normalität haben Erfahrungen aus der Corona-Zeit wie eine veränderte Einstellung zum Thema „Gesundheit“, die gefühlten und tatsächlichen Unsicherheiten aus den nahen und fernen Konfliktherden dieser Welt und auch die globale Klima-Zukunftsfrage, die uns mit Sorge umtreibt. Benjamin Franklin hat gesagt: „Nach Leiden und Verlusten werden die Menschen bescheidener und weiser.“ Hoffen wir und tragen wir dazu bei, dass es dieser Erfahrungen gar nicht erst bedarf. Der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel gibt uns dazu mit auf den Weg: „Denke nicht so oft an das, was dir fehlt, sondern an das, was du hast.“ Stolz und dankbar sind wir für die engagierten Caritas-Mitarbeitenden im Hauptberuf und Ehrenamt. Lernen müssen wir, uns nur das zuzumuten, was wir auch personell leisten können.


Nachhaltigkeit als erster Maßstab
Nachhaltigkeit ist in aller Munde und gewinnt an Bedeutung. Dazu gehören bei Produkten Aspekte wie natürliche Inhaltsstoffe, Tierwohlaspekte, umsichtiger Ressourceneinsatz, regionale Erzeugung oder fairer Handel. Der Bedeutungsgewinn ist jedoch größer als die Bereitschaft dafür ins Portemonnaie zu greifen, der Anteil der Menschen hat sich innerhalb eines Jahres halbiert. Nachhaltigkeit im Sinne der 17 Nachhaltigkeitsziele der vereinten Nationen ist sehr umfassend angelegt, dazu gehört beispielweise auch Zugang zu Wasser und Bildung. Das Verhältnis Mensch-Natur ist neu zu klären. Wir wissen spätestens jetzt, dass die völlige Kontrolle über die Natur eine totale Illusion ist. Es geht nicht um Inbesitznahme, sondern um verantwortungsbewusste Nutzung. Es geht nicht nur um Verzicht und schlechtes Gewissen, sondern um bewusst zukunftsfähige Lösungen. Lebensqualität meint „nachhaltig besser“ und nicht „immer mehr“. Als Caritas orientieren wir uns an den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen und setzen seit Jahren bewusste Akzente mit dem Ziel, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu sein.


Einigkeit und Gemeinsamkeit als gesellschaftliches Fundament
Die Spaltung unserer Gesellschaft entlang der Bruchlinien junge und alte Menschen, Migrationskritiker und Willkommensbefürworter, Ungeimpfte und Geimpfte, Gegner und Befürworter einer Klimawende, aber auch besonders auch zwischen arm und reich hat ein beachtliches Ausmaß erreicht, ein Ende ist nicht absehbar. Die Pole der Positionen liegen extrem weit auseinander, dagegen befinden sich katholische und evangelische Christen schon quasi in reinster Ökumene. In den politischen Extremen und sozialen Spaltungen lauern latente Gefahren. Gerade deshalb sind Einigkeit über die grundlegende Ausrichtung und gemeinsame Anliegen wichtig. Eine sozial ausgerichtete Gesellschaft auf christlicher Grundlage ist zu fördern, wir müssen stärker für demokratische Werte und Solidarität eintreten. Gerecht verteilte Beiträge, lohnende Arbeit und Befähigung statt Alimentierung, ein soziales Netz für Hilfebedürftige und eine gezielte Förderung bürgerschaftlichen Engagements sind existentiell für die nächsten Jahre. Caritas sagt: Sozial ist, was Menschen verbindet, schützt und sie zugleich stärkt!


Innovationsfreudigkeit als Motor statt Lebensmüdigkeit als Bremser
Wir spüren, dass ein persönlicher und gesellschaftlicher Neuanfang fällig ist. Wenn wir merken, dass wir mehr kritisieren statt zu initiieren –
dann ist es höchste Zeit. Die Zeit zu beginnen ist jetzt – heißt es in einem jüngeren Kirchenlied. Wer ist schon davon begeistert, wieder neu
anfangen zu müssen? Es passt ja eigentlich nie. Aber die Zeichen zeigen uns, dass es so weit ist. Warten auf den perfekten Zeitpunkt, der nie kommen wird, macht keinen Sinn! Dadurch verlieren wir Monate oder Jahre. Lenken wir also negative Energien in positive Aktivitäten, die uns gemeinsam weiterbringen. Unsere deutsche Mentalität bringt uns oft dahin, bei jeder Gelegenheit ins Prinzipielle auszuweichen. Das hindert zu beginnen, deshalb ein klares Plädoyer für Pragmatismus: Damit starten wir jetzt konkret! Mit dieser Einstellung können wir immer wieder neu an fangen – zum Jahreswechsel und sogar an jedem neuen Morgen. In diesem Sinne wünscht der Caritasverband Olpe einen zuversichtlichen Jahreswechsel und einen gelingenden Aufbruch in das Jahr 2023!
Christoph Becker (Vorstand)

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