„Wir müssen unsere Wirtschafts- und Lebensweise ändern – konsequent und sensibel“, so Wirtschaftsethiker Wolfgang Kessler, der am Dienstagabend (17.5.) in der Riviusaula sein Publikum mit vielen Anregungen begeisterte. Er schlug den Bogen von politischen
Rahmenbedingungen wie Baugrundbevoratung oder Finanztransaktionssteuer bis zu persönlichem „Bewusst konsumieren“ oder „Gemeinsam statt einsam leben“.


Das Agendaforum der Hansestadt und die AG-Migration der SPD im Kreis Olpe, die den promovierten Wirtschaftswissenschaftler und Journalisten nach Attendorn eingeladen hatten, freuten sich über die etwa 40 Zuhörenden, die nach dem Vortrag noch über eine Stunde engagiert diskutierten. Kessler bot zahlreiche Anknüpfungspunkte.


In Krisenzeiten gebe es viel „Fluchtverhalten in der Gesellschaft“ d. h. Rückzug ins Private, so Kessler. Doch Ukraine-Krieg, Klimawandel und Coronapandemie sollten als Weckruf für eine humane Wirtschaft betrachtet werden, die sich nicht auf Profit orientierte Marktmechanismen
verlasse und dann soziale Verwerfungen korrigiere, sondern von Anfang an die Beziehungen zwischen Wirtschaft, Natur und Menschen in den Blick nehme. Für eine solche humane, ökologisch-soziale Wirtschafts- und Lebensweise müsse Politik die Rahmenbedingungen setzen.


Die Stadt Ulm z.B. bekämpft Spekulation im Immobiliensektor mit Baugrundbevoratung. Sie erwirbt Grundstücke und verkauft diese mit der Auflage, sie innerhalb eines Jahres zu bebauen oder zum gleichen Preis zurückzugeben. Bei Mietobjekten gibt es eine Sozialbindung. Auf diese Weise kontrolliere Ulm ein Drittel des Stadtgebietes und die Preise für Wohnen liegen weit unten denen vergleichbarer Städte, so Kessler. Als weiteres Positivbeispiel nannte er das Gesundheitssystem in Österreich, das bei gleicher Leistung niedrigere Beiträge als das deutsche brauche, weil es eine gesetzliche Krankenkasse für alle Einkommensarten, auch gebe und etwa Finanzinvestoren keine
Pflegeheime betreiben dürfen.


Die Daseinsvorsorge solle vom „Diktat der Rendite“ befreit werden, forderte Kessler und nannte außer Gesundheit und Pflege den ÖPNV, Wohnungsbau und auch die „digitale Welt“, die von den großen US-Plattformen beherrscht wird. Zur Eindämmung der Spekulation müsse unbedingt eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Um umweltschonendes Wirtschaften und Leben zu fördern, brauche es eine Ökoabgabe auf klimaschädliche Produkte und eine Umverteilung der Einnahmen auf alle Bürger und Bürgerinnen. In Österreich etwa würden steigende Steuern durch hohe Öl- und Benzinpreise in Form eines Klimatickets pro Kopf an die Bevölkerung zurückgegeben. Für vier Euro pro Tag könne dann jeder den ÖPNV nutzen.


„Soziale Entwicklung schafft, wer in Menschen investiert“, so Kessler mit Blick auf Kenia, wo in einem wissenschaftlichen Experiment Menschen in ausgewählten Dörfern pro Monat 22 Dollar erhielten. Nach drei Jahren sei der Hunger besiegt worden, Schulen und Läden entstanden und die Kleinkriminalität ging zurück. UNO-Generalsekretär Guterres fordere denn auch ein Grundeinkommen für alle Armen dieser Welt.


Durch Lieferengpässe und Corona-Lockdown habe sich persönliches Verhalten schon in Richtung eines bewussteren Konsums verändert: Es werde mehr regional, vor Ort eingekauft, viele wollen lieber reparieren als wegwerfen. Im EU-Parlament werde eine Vorschrift für ein „Recht auf Reparatur“ vorbereitet, d.h. etwa, dass Hersteller mindestens zehn bis 15 Jahre Ersatzteile vorhalten müssen. Unter dem Stichwort „Gemeinsam statt einsam leben“ plädierte Kessler dafür, mehr zu teilen – etwa das Auto. „Damit sind wird am Schluss, aber nicht am Ende“, meinte er augenzwinkernd und zurück blieb ein ermutigtes Publikum.

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