Samstag, 25. Januar 2025

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Flam­men­des Plä­doy­er für huma­nes Wirt­schaf­ten

„Wir müs­sen unse­re Wirt­schafts- und Lebens­wei­se ändern – kon­se­quent und sen­si­bel“, so Wirt­schafts­ethi­ker Wolf­gang Kess­ler, der am Diens­tag­abend (17.5.) in der Rivi­usau­la sein Publi­kum mit vie­len Anre­gun­gen begeis­ter­te. Er schlug den Bogen von poli­ti­schen
Rah­men­be­din­gun­gen wie Bau­grund­be­vora­tung oder Finanz­trans­ak­ti­ons­steu­er bis zu per­sön­li­chem „Bewusst kon­su­mie­ren“ oder „Gemein­sam statt ein­sam leben“.


Das Agen­da­fo­rum der Han­se­stadt und die AG-Migra­ti­on der SPD im Kreis Olpe, die den pro­mo­vier­ten Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler und Jour­na­lis­ten nach Atten­dorn ein­ge­la­den hat­ten, freu­ten sich über die etwa 40 Zuhö­ren­den, die nach dem Vor­trag noch über eine Stun­de enga­giert dis­ku­tier­ten. Kess­ler bot zahl­rei­che Anknüp­fungs­punk­te.


In Kri­sen­zei­ten gebe es viel „Flucht­ver­hal­ten in der Gesell­schaft“ d. h. Rück­zug ins Pri­va­te, so Kess­ler. Doch Ukrai­ne-Krieg, Kli­ma­wan­del und Coro­na­pan­de­mie soll­ten als Weck­ruf für eine huma­ne Wirt­schaft betrach­tet wer­den, die sich nicht auf Pro­fit ori­en­tier­te Markt­me­cha­nis­men
ver­las­se und dann sozia­le Ver­wer­fun­gen kor­ri­gie­re, son­dern von Anfang an die Bezie­hun­gen zwi­schen Wirt­schaft, Natur und Men­schen in den Blick neh­me. Für eine sol­che huma­ne, öko­lo­gisch-sozia­le Wirt­schafts- und Lebens­wei­se müs­se Poli­tik die Rah­men­be­din­gun­gen set­zen.


Die Stadt Ulm z.B. bekämpft Spe­ku­la­ti­on im Immo­bi­li­en­sek­tor mit Bau­grund­be­vora­tung. Sie erwirbt Grund­stü­cke und ver­kauft die­se mit der Auf­la­ge, sie inner­halb eines Jah­res zu bebau­en oder zum glei­chen Preis zurück­zu­ge­ben. Bei Miet­ob­jek­ten gibt es eine Sozi­al­bin­dung. Auf die­se Wei­se kon­trol­lie­re Ulm ein Drit­tel des Stadt­ge­bie­tes und die Prei­se für Woh­nen lie­gen weit unten denen ver­gleich­ba­rer Städ­te, so Kess­ler. Als wei­te­res Posi­tiv­bei­spiel nann­te er das Gesund­heits­sys­tem in Öster­reich, das bei glei­cher Leis­tung nied­ri­ge­re Bei­trä­ge als das deut­sche brau­che, weil es eine gesetz­li­che Kran­ken­kas­se für alle Ein­kom­mens­ar­ten, auch gebe und etwa Finanz­in­ves­to­ren kei­ne
Pfle­ge­hei­me betrei­ben dür­fen.


Die Daseins­vor­sor­ge sol­le vom „Dik­tat der Ren­di­te“ befreit wer­den, for­der­te Kess­ler und nann­te außer Gesund­heit und Pfle­ge den ÖPNV, Woh­nungs­bau und auch die „digi­ta­le Welt“, die von den gro­ßen US-Platt­for­men beherrscht wird. Zur Ein­däm­mung der Spe­ku­la­ti­on müs­se unbe­dingt eine Finanz­trans­ak­ti­ons­steu­er ein­ge­führt wer­den. Um umwelt­scho­nen­des Wirt­schaf­ten und Leben zu för­dern, brau­che es eine Öko­ab­ga­be auf kli­ma­schäd­li­che Pro­duk­te und eine Umver­tei­lung der Ein­nah­men auf alle Bür­ger und Bür­ge­rin­nen. In Öster­reich etwa wür­den stei­gen­de Steu­ern durch hohe Öl- und Ben­zin­prei­se in Form eines Kli­ma­ti­ckets pro Kopf an die Bevöl­ke­rung zurück­ge­ge­ben. Für vier Euro pro Tag kön­ne dann jeder den ÖPNV nut­zen.


„Sozia­le Ent­wick­lung schafft, wer in Men­schen inves­tiert“, so Kess­ler mit Blick auf Kenia, wo in einem wis­sen­schaft­li­chen Expe­ri­ment Men­schen in aus­ge­wähl­ten Dör­fern pro Monat 22 Dol­lar erhiel­ten. Nach drei Jah­ren sei der Hun­ger besiegt wor­den, Schu­len und Läden ent­stan­den und die Klein­kri­mi­na­li­tät ging zurück. UNO-Gene­ral­se­kre­tär Guter­res for­de­re denn auch ein Grund­ein­kom­men für alle Armen die­ser Welt.


Durch Lie­fer­eng­päs­se und Coro­na-Lock­down habe sich per­sön­li­ches Ver­hal­ten schon in Rich­tung eines bewuss­te­ren Kon­sums ver­än­dert: Es wer­de mehr regio­nal, vor Ort ein­ge­kauft, vie­le wol­len lie­ber repa­rie­ren als weg­wer­fen. Im EU-Par­la­ment wer­de eine Vor­schrift für ein „Recht auf Repa­ra­tur“ vor­be­rei­tet, d.h. etwa, dass Her­stel­ler min­des­tens zehn bis 15 Jah­re Ersatz­tei­le vor­hal­ten müs­sen. Unter dem Stich­wort „Gemein­sam statt ein­sam leben“ plä­dier­te Kess­ler dafür, mehr zu tei­len – etwa das Auto. „Damit sind wird am Schluss, aber nicht am Ende“, mein­te er augen­zwin­kernd und zurück blieb ein ermu­tig­tes Publi­kum.

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