Allzeithoch für Endoprothetik
Die Zahl der eingesetzten künstlichen Gelenken hat in Deutschland mit rund 380.000 im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht. Die Alterung der Gesellschaft und steigende Akzeptanz von Implantaten sind die Treiber dieser Entwicklung.
Christoph Klein verdient seinen Lebensunterhalt mit dem, was man gemeinhin einen „Knochenjob“ nennt. Seit über 40 Jahren arbeitet er in einer Olper Gießerei, viele Stunden davon verbrachte er mit einer anstrengenden knienden Tätigkeit, bevor er sich versetzen ließ. Bereits vor zwei Jahrzehnten beginnen die Schmerzen in den Knien. Lange Zeit geht er mit Kraftsport und Schwimmen dagegen an, trainiert verbissen, um sich fit zu halten. Die Anstrengungen zögern das Unvermeidliche noch lange hinaus. Als er kaum noch laufen kann, behilft er sich mit Schmerzmitteln – bis auch diese nicht mehr wirken.
„Es fühlt sich an, als ob einer bei jedem Schritt mit einer Nadel in mein rechtes Knie sticht“, schildert er Dr. Mohammad Ahmad im November seine Situation. Für den Leitenden Oberarzt und erfahrenen Haupt-Operateur beim Endoprothetik-Zentrum (EPZ) an der Helios Klinik Attendorn ein alltäglicher Fall, wenngleich der Großteil seiner Patienten normalerweise älter ist. Doch Herr Kleins Arthrose ist bereits so weit fortgeschritten, dass bei dem 63-Jährigen nur noch eine Knieprothese in Frage kommt, um wieder zurück in ein schmerzfreies und mobiles Leben zu finden.
„Als Arbeiter in der Industrie war sein Knie starken Belastungen ausgesetzt, sodass mit nicht-operativen oder nur gelenkerhaltenden Behandlungsmethoden nichts mehr zu machen war“, berichtet Dr. Ahmad und fügt an: Zunächst schauen wir immer erst, ob man mit gezieltem Muskelaufbau oder Medikamenten Abhilfe schaffen kann. Kommt das nicht mehr infrage, versuchen wir das alte Gelenk zu reparieren. Erst dann kommen Implantate ins Spiel“. Für Herrn Klein keine Alternativen mehr. Bereits wenige Tage nach der Eingangsuntersuchung wird ihm ein künstliches Kniegelenk eingesetzt.
Endoprothetik boomt
Christoph Klein steht nicht alleine da. Beim Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) sind für das Jahr 2023 rund 380.000 eingesetzte Knie- und Hüftgelenke erfasst. Nie zuvor waren die Zahlen höher. Laut EPRD sei bereits zum jetzigen Zeitpunkt erkennbar, dass die Anzahl der dokumentierten Eingriffe für das Jahr 2024 auf Höhe des Vorjahres liegen werde. Ob sie diese sogar übertreffen, werde sich im Frühjahr kommenden Jahres zeigen, so eine Sprecherin des EPRD.
Dieser Trend macht auch vor der Helios Klinik Attendorn nicht halt, was Dr. Ahmad nicht wundert. Erstens sei man das einzige zertifizierte EPZ im Kreis Olpe und dementsprechend ein wichtiger Anlaufpunkt, zweitens wollten Patienten heute bis ins hohe Alter mobil sein und ein aktives Leben führen, selbstverständlich schmerzfrei. „Die Ansprüche an die körperliche Leistungsfähigkeit sind hoch. Dem steht aber die immer weiter steigende Lebenserwartung und die damit verbundenen Erkrankungen wie Arthrose oder Rheuma entgegen“, so der Endoprothetik-Spezialist. Darauf gebe seine Fachdisziplin jedoch die richtige Antwort. Die Akzeptanz von Implantaten sei allgemein gewachsen, der Fortschritt bei Materialen und Verankerungsmethoden immens. „Es hat sich herumgesprochen: Endoprothetik hilft schnell und bewirkt viel“, so Dr. Ahmad.
Weniger als eine Woche stationärer Klinikaufenthalt
„Egal ob Hüfte oder Knie: Schon am Operationstag sollte mit der Physiotherapie im Krankenhaus begonnen werden und nach Möglichkeit ein nahtloser Übergang zur stationären Therapie erfolgen“, rät Dr. Manfred Kemmerling, Ärztlicher Direktor an der Helios Klinik Attendorn und Leiter des EPZ. Dafür kommt in Attendorn und in den meisten anderen Kliniken das so genannte „Fast-Track-Verfahren“ zum Einsatz. Dabei werden dem operierten Gelenk im Verlauf des Eingriffs blutstillende Medikamente und lokal wirkende Betäubungsmittel verabreicht, sodass schon kurz nach dem Aufwachen aus der Narkose mit der Mobilisation begonnen werden kann.
Ein speziell entwickeltes intensives Physiotherapietraining folgt im Anschluss, das aus mehrfach-täglicher Einzeltherapie besteht. Anfänglich kommt speziell bei den Knien noch eine Motorschiene zum Einsatz, mit der das operierte Gelenk passiv bewegt werden kann. Bereits nach fünf Tagen könne der Patient dann in der Regel mit der stationären Reha anfangen, so Dr. Kemmerling. Positiver Nebeneffekt: Unangenehme Begleiterscheinungen wie Thrombosen und Embolien als Folge von zu langem Schonverhalten nach der OP seien praktisch verschwunden. „Wenn dann alles komplikationsfrei läuft, kann in der Regel nach circa drei Monaten das neue Gelenk wieder voll belastet werden“, sagt Dr. Kemmerling.
Bis dahin ist es noch ein Stück Weg für Christoph Klein, der derzeit an seiner Rehabilitation arbeitet. Zwar ist er längst schmerzfrei und läuft wieder ohne Krücken, doch muss er sich selbst immer wieder stoppen, um sich nicht schon zu viel abzuverlangen: „In den Momenten sage ich mir immer wieder: Du musst Geduld haben! Ich hatte 20 Jahre Schmerzen und jetzt ist es schon fünf Wochen nach der OP so viel besser mit meinem Knie, da werde ich die zwei Monate bis zum Reha-Ende auch noch schaffen. Ich freue mich darauf.“