Schlaganfälle im Kindesalter sind selten und treffen die jungen Patientinnen und Patienten plötzlich und unerwartet. „Umso wichtiger ist es, die Signale richtig zu deuten und schnell zu reagieren“, meint Dr. Constanze Reutlinger. Sie ist Oberärztin an der DRK-Kinderklinik, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie. Denn: Je früher ein „Hirnschlag“, wie das Ganze im Volksmund genannt wird, behandelt wird, desto besser stehen die Chancen auf Heilung ohne gravierende Folgen.
Auf der einen Seite gibt es den perinatalen Schlaganfall im Mutterleib oder kurz nach der Geburt (28 Tage). Dieser kommt bei etwa 20 – 60 von 100.000 Geburten vor. Auf der anderen Seite existiert der akute Schlaganfall, welcher noch seltener vorkommt. Die aktuellen Zahlen liegen bei 1-8/100.000 Kindern und Jugendlichen. „Der Schlaganfall bei der Geburt oder noch früher fällt häufig erst viel später auf, weil die Kinder eine Seitendifferenz entwickeln“, geht Constanze Reutlinger ins Detail. „Die Halbseiten-Lähmung äußert sich durch weniger Strampeln oder asymmetrisches Greifen. Wichtig ist es in jedem Fall, die Ursache zu suchen beziehungsweise beim Neurologen vorstellig zu werden.“ Physio- oder Ergotherapie hilft dabei, die Einschränkungen bestmöglich zu behandeln. „Der akute Schlaganfall äußert sich durch ähnliche Symptome wie bei einem Erwachsenen“, erläutert die Kinderärztin. „Der Arm hängt herunter, ebenso die eine Gesichtshälfte oder das Bein. Auch die Sprache kann beeinträchtigt sein. Doch dies ist deutlich schwieriger zu merken. Gerade in jungen Jahren.“
Pro Jahr erleiden in Deutschland 300 bis 500 Kinder und Jugendliche zwischen dem 29. Lebenstag und dem 18. Lebensjahr einen Schlaganfall. Während bei Erwachsenen in vielen Fällen der Lebenswandel für die Durchblutungsstörungen im Gehirn verantwortlich ist, sind die möglichen Ursachen bei Jüngeren vielschichtig. Sie bedürfen einer eingehenden, fachübergreifenden Untersuchung. „Die Ursachen bei den kleinen Patienten sind sehr komplex“, erläutert Constanze Reutlinger. Die häufigste Ursache (50%) sind Gefäßerkrankungen, die als Reaktion auf Infektionen entstehen können. Hier spielen auch angeborene, genetische Risikofaktoren eine Rolle. Die zweithäufigste Ursache sind angeborene oder erworbene Herzfehler, durch die es zu Blutgerinnseln kommen kann. In sehr seltenen Fällen führen angeborene Gerinnungsstörungen zu Gefäßverschlüssen und einem Schlaganfall. Doch egal, wo die Ursache liegt: Immer ist schnelles Handeln extrem wichtig! Eltern sollten umgehend beim Kinderarzt vorstellig werden und auf ihren Verdacht hinweisen.
„Be Fast“, bringt die Kinderärztin die Vorgehensweise prägnant auf den Punkt. „Kurz: Balance, Eyes, Face, Arm, Speach, Time – also Balance, Augen, Gesicht, Arm, Sprache und Zeit. Alles Punkte, die beim Erkennen und der anschließenden Diagnose eine große Rolle spielen.” Weitere Warnzeichen sind akut einsetzende Kopfschmerzen, die die Betroffenen als schmerzhaften Stich oder Schlag auf den Kopf empfinden, und epileptische Anfälle. Wie genau sich ein Schlaganfall äußert, hängt von der Stärke, dem betroffenen Hirnareal und den Ursachen ab. Insbesondere bei kleineren Kindern, sind die Symptome schwieriger zu erkennen.
Viel häufiger als der akute Schlaganfall sind bei Kindern und Jugendlichen Symptome, die einem Schlaganfall ähneln, aber in der Regel gut behandelbar sind oder rasch wieder verschwinden. Als erstes ist hier die Fazialisparese (hängende Gesichtshälfte) zu nennen. Diese kann auch ohne Durchführung einer MRT von einem Schlaganfall unterschieden werden. Die häufigste Ursache (zumindest hier im Siegerland) ist eine Borreliose. Auch bei einer Migräne kann es zu schlaganfallähnlichen Symptomen kommen, die sich von alleine rasch zurückbilden. Der wichtigste Schritt zur Abklärung ist die kinderneurologische Untersuchung. Danach muss entschieden werden, ob ein Bild vom Gehirn, in der Regel eine MRT-Untersuchung, erfolgen soll. Ein EEG kann bei der Entscheidungsfindung helfen.