Mittwoch, 02. April 2025

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„Adi­po­si­tas-The­ra­pien mün­det nicht immer in einer Ope­ra­ti­on“

stefan bollmann und jens jerstenberger
Ste­fan Boll­mann und Jens Jers­ten­ber­ger (Foto: Heli­os Kli­nik Atten­dorn)

Seit Som­mer letz­ten Jah­res bie­tet die Heli­os Kli­nik Adi­po­si­tas-The­ra­pien in Atten­dorn an. The­ra­pie-Koor­di­na­tor Jens Gers­ten­ber­ger und Chir­urg Dr. Ste­fan Boll­mann geben Aus­kunft über die stei­gen­de Zahl an Über­ge­wich­ti­gen, die Bedeu­tung eines ganz­heit­li­chen Ansat­zes und was eine geplan­te Kran­ken­haus­ko­ope­ra­ti­on für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten im Kreis Olpe für Mög­lich­kei­ten bie­tet.

Wie kam es dazu, in Atten­dorn eine Adi­po­si­tas-The­ra­pie zu eta­blie­ren?

Dr. Ste­fan Boll­mann: Kurz nach mei­nem Wech­sel vor eini­ger Zeit von einem zer­ti­fi­zier­ten Reflux- und Adi­po­si­tas-Zen­trum am Nie­der­rhein ins Sau­er­land, stell­te ich als Neu­an­kömm­ling fest, dass Men­schen mit krank­haf­tem Über­ge­wicht in unse­rer Regi­on hier deut­lich unter­ver­sorgt sind. Fach­leu­te gehen allein für den Kreis Olpe von mehr als 2.700 Men­schen aus, also rund zwei Pro­zent der Bevöl­ke­rung, die mas­siv Pro­ble­me mit Über­ge­wicht haben. Die Zahl der Betrof­fe­nen und damit auch die dadurch aus­ge­lös­ten Fol­ge­er­kran­kun­gen wie Dia­be­tes und Herz-Kreis­lauf­erkran­kun­gen neh­men zu. Als die Pla­nun­gen hier am Stand­ort kon­kre­ter wur­den, habe ich mit Jens Gers­ten­ber­ger einen erfah­re­nen Adi­po­si­tas-Coach und Koor­di­na­tor ins Boot geholt, um für Adi­po­si­tas-Erkrank­te ein Ange­bot auf­zu­bau­en.

Sie sind jedoch nicht zufäl­lig auf das The­ma gesto­ßen.

Dr. Ste­fan Boll­mann: Die Adi­po­si­tas-Chir­ur­gie gehört zu mei­nen urei­ge­nen Fach­ge­bie­ten. Ich kann auf über zwei Jahr­zehn­te prak­ti­sche Erfah­rung, dar­un­ter Schlauch­ma­gen­bil­dun­gen, Magen­by­päs­se, etc., zurück­bli­cken. Des­halb lag es für mich nahe, nach mei­ner Ernen­nung zum Chef­arzt für All­ge­mein- und Vis­ze­ral­chir­ur­gie auch in Atten­dorn die Ver­sor­gungs­struk­tu­ren wie bei mei­ner vor­an­ge­gan­ge­nen Sta­ti­on erfolg­reich zu eta­blie­ren.

Es ist hin­läng­lich bekannt, dass eine OP ein wich­ti­ger Schritt gegen Adi­po­si­tas, aber kein allein­se­lig­ma­chen­des Wun­der­mit­tel ist.

Jens Gers­ten­ber­ger: Das stimmt. Der Ein­griff ist nur ein Bau­stein einer ganz­heit­li­chen The­ra­pie hin zu einem gesün­de­ren Leben. Beson­ders bedeut­sam ist die rich­ti­ge Beglei­tung bei der Vor­sor­ge, und vor allem auch der Nach­sor­ge nach einer OP. Was, wie oft und wie­viel darf ich über­haupt noch essen? War­um ist der Auf­bau des Organs „Mus­ku­la­tur“ so wich­tig? Wie struk­tu­rie­re ich mei­nen neu­en All­tag nach der OP?

Für die erfolg­rei­che Umstel­lung der Lebens­ge­wohn­hei­ten und wei­te­ren Beglei­tung haben wir ein Hil­fe­netz gespannt, bestehend aus psy­cho­lo­gi­scher Betreu­ung, Selbst­hil­fe­grup­pe, Anträ­ge bei Kran­ken­kas­sen, Ernäh­rungs­be­ra­tung und vie­lem mehr. Als Koor­di­na­tor der Adi­po­si­tas-The­ra­pie neh­me ich in Atten­dorn die Rol­le eines Lot­sen inner­halb die­ses Netz­wer­kes ein, das unse­re Pati­en­ten sicher durch die­se sehr kom­ple­xe Behand­lung bringt.

Und die­se Behand­lung muss nicht zwin­gend auf einer OP auf­bau­en?

Jens Gers­ten­ber­ger: Rich­tig, das ist nicht zwangs­läu­fig für jeden der rich­ti­ge Weg. Adi­po­si­tas-The­ra­pien mün­den nicht immer in einer Ope­ra­ti­on. Wenn wir fest­stel­len, dass auch mit kon­ser­va­ti­ven Metho­den, sprich mit Sport, Ernäh­rungs­um­stel­lung oder Psy­cho­the­ra­pie eine nach­hal­ti­ge Gewichts­re­duk­ti­on und Ver­bes­se­rung des Zustands erzielt wer­den kann, ver­su­chen wir gemein­sam mit jedem Betrof­fe­nen den indi­vi­du­ell pas­sen­den Ansatz zu fin­den und rea­lis­ti­sche Etap­pen­zie­le zu set­zen.

Apro­pos Ope­ra­tio­nen: Bei der Kran­ken­haus­pla­nung NRW fand der Antrag der Heli­os Kli­nik Atten­dorn, baria­tri­sche Magen-Ope­ra­tio­nen durch­zu­füh­ren, kei­ne Berück­sich­ti­gung. Was bedeu­tet die Ent­schei­dung für das The­ra­pie­an­ge­bot?

Ste­fan Boll­mann: Herr Gers­ten­ber­ger und ich haben im Som­mer damit begon­nen, die Struk­tu­ren für eine ganz­heit­li­che Adi­po­si­tas-The­ra­pie, die ursprüng­lich Ope­ra­tio­nen mit­ein­schlie­ßen soll­te, in Atten­dorn auf­zu­bau­en. Wir waren und sind von der Not­wen­dig­keit für die regio­na­le Gesund­heits­ver­sor­gung über­zeugt und hat­ten aus die­sem Grund beim Land NRW bean­tragt, adi­po­si­tas­chir­ur­gi­sche Ein­grif­fe an unse­rem Stand­ort in der Kran­ken­haus­pla­nung zu berück­sich­ti­gen. Die Ent­schei­dung dage­gen bedau­ern wir natür­lich sehr, sie betrifft aber nur einen Teil unse­res Ange­bo­tes für Men­schen mit star­kem Über­ge­wicht. Alle nicht­chir­ur­gi­schen The­ra­pie­bau­stei­ne wer­den wir wei­ter­hin anbie­ten.

Jens Gers­ten­ber­ger: Auch für den kon­ser­va­ti­ven Behand­lungs­kom­plex sind wir vom Start weg im ver­gan­ge­nen Juli als Anlauf­stel­le ange­nom­men wur­den – mit einer anhal­tend gro­ßen Reso­nanz. Dies umfasst auch die Prä­ven­ti­on und Behand­lung von Fol­ge­er­kran­kun­gen, zu der ich die Betrof­fe­nen in mei­nen Sprech­stun­den tele­fo­nisch und per­sön­lich in der Kli­nik bera­te. Inzwi­schen haben sich schon zwei Selbst­hil­fe­grup­pe in Atten­dorn und Fin­nen­trop eta­bliert, die ich selbst ehren­amt­lich lei­te, sodass Betrof­fe­ne nicht nur bei uns behan­delt wer­den, son­dern sich auch mit ande­ren ver­net­zen und aus­tau­schen kön­nen. Auf­grund der gro­ßen Nach­fra­ge sind wei­te­re in der Pla­nung, um allen Betrof­fe­nen ein pas­sen­des Aus­tausch­fo­rum anzu­bie­ten.

Und wenn der Pati­ent doch eine OP benö­tigt?

Ste­fan Boll­mann: Auch dann blei­ben wir durch einen star­ken Koope­ra­ti­ons­part­ner eine ver­läss­li­che Anlauf­stel­le. Mit dem Adi­po­sit­aszen­trum am Heli­os Kli­ni­kum Sieg­burg haben wir einen erfah­re­nen und zer­ti­fi­zier­ten Part­ner gewin­nen kön­nen, mit dem wir eng zusam­men­ar­bei­ten wer­den.

Unse­re Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen in Sieg­burg um Ben­te Peter­sen, ärzt­li­che Lei­te­rin des Adi­po­sit­aszen­trums, sowie Dr. Joa­chim Sei­fert, Chef­arzt der All­ge­mein- und Vis­ze­ral­chir­ur­gie, ver­fü­gen über eine aus­ge­wie­se­ne Exper­ti­se auf dem Gebiet der Adi­po­si­tas­chi­ru­gie. Davon kön­nen auch unse­re Pati­en­ten in Atten­dorn künf­tig pro­fi­tie­ren. Wir haben unse­re bei­den Abtei­lun­gen eigens dafür eng ver­zahnt – so dass ich auch als Ope­ra­teur ein­ge­bun­den bin.   

Wo lie­gen für Pati­en­ten aus der Regi­on Süd­west­fa­len die Vor­tei­le, sich im Rhein­land ope­rie­ren zu las­sen?

Ste­fan Boll­mann: Zuge­ge­ben, es klingt auf den ers­ten Blick ein wenig auf­wen­dig, so eine rela­tiv wei­te Weg­stre­cke auf sich zu neh­men. Die Vor­tei­le lie­gen aber bei genaue­rem Hin­se­hen auf der Hand: Die kom­plet­te Behand­lung kann aus einem Guss erfol­gen, denn die jeweils not­wen­di­gen baria­tri­schen Ein­grif­fe neh­me ich selbst in Sieg­burg vor. Die Pati­en­ten müs­sen nur für den Ein­griff nach Sieg­burg kom­men und dort drei bis vier Näch­te zur Beob­ach­tung blei­ben. Ange­sichts einer lebens­lan­gen Dau­er der Behand­lung und Betreu­ung ist das ein sehr über­schau­ba­rer Zeit­raum.

Nach die­sem kur­zen sta­tio­nä­ren Auf­ent­halt behan­deln mein Team und ich hier im gewohn­ten Umfeld mit den bereits bekann­ten Gesich­tern und den ver­trau­ten Leis­tun­gen – Ernäh­rungs­coa­ching, Sport­coa­ching, Men­tal­coa­ching und vie­lem mehr – wei­ter.

Für Betrof­fe­ne, die sich für einen beglei­te­ten Weg mit uns ent­schei­den, kön­nen wir also eine indi­vi­du­el­le und opti­ma­le Adi­po­si­tas-The­ra­pie mit den obli­ga­to­ri­schen Vor‑, Aktiv- und Nach­sor­ge­pro­gram­men hier in Atten­dorn anbie­ten.

  • Dr. Ste­fan Boll­mann (56) ist seit 2001 Fach­arzt für Chir­ur­gie und lei­tet seit01.09.2023 als Chef­arzt die Abtei­lung für All­ge­mein- und Vis­ze­ral­chir­ur­gie an der Heli­os Kli­nik Atten­dorn. Seit 2007 nimmt Dr. Boll­mann baria­tri­sche Ein­grif­fe vor.
  • Jens Gers­ten­ber­ger (57) ist Koor­di­na­tor der Adi­po­si­tas-The­ra­pie an der Heli­os Kli­nik Atten­dorn und berät Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Er lei­tet drei Selbst­hil­fe­grup­pen: in Atten­dorn, Fin­nen­trop und Olpe. Als „tro­cke­ner Adi­pö­ser“ ver­fügt er über einen ganz beson­de­ren Blick auf das The­ma.

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