Nach wir vor angespannt ist das Verhältnis von Politik und Apotheken. Grund genug für die Attendorner Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari, SPD, sich mit Apothekern aus Olpe und Attendorn in ihrem Wahlkreisbüro in Attendorn zu treffen. Mit dabei waren die Attendorner Apotheker Maurice Marke und Christian Springob sowie die Kollegen Dr. Gerd Franke und Thomas Ullenboom aus Olpe.
Vorher absolvierte die Abgeordnete ein mehrstündiges Praktikum in der „Apotheke am Kölner Tor“ von Maurice Marke und verschaffte sich einen kleinen Einblick hinter die Kulissen einer Apotheke.
Derzeitiger Knackpunkt und konkreter Aufhänger für das Gespräch ist vor allem das geplante Apothekenreformgesetz der Bundesregierung. Die diesbezüglichen Vorstellungen von Politik und Apothekern sind sehr unterschiedlich.
Der Gesetzesentwurf des Gesundheitsministeriums sollte eigentlich am 17.07. vom Bundeskabinett verabschiedet werden, ist aber vorerst gestoppt worden. Aktuell ist eine erneute Einbringung für Ende August geplant. Im Falle einer Einigung beginnt dann der parlamentarische Prozess.
Aus Sicht der Apotheker reichen die im Referentenentwurf vorgesehenen Maßnahmen nicht aus, weil im System grundsätzlich Geld fehle. Die Lage der Apotheken sei dadurch gekennzeichnet, dass sich ihre Lage weiter verschlechtern werde, weil zwar die Umsätze aufgrund immer mehr Verordnungen von höherpreisigen und hochpreisigen Arzneimitteln der letzten Jahre gestiegen seien, die Nettogewinne sich aber im Sinkflug befänden. Der Rohgewinn von 3 Prozent an diesen Arzneimitteln werde durch umsatzabhängige Kosten fast komplett aufgefressen. Franke: „Die Kosten sind massiv gestiegen und laufen davon. Es muss mehr Geld ins System!“. Marke pflichtet bei: „Viele Apotheken geraten in erhebliche Schwierigkeiten, manche werden in die Insolvenz getrieben. Im Jahr 2023 haben bereits 500 Apotheken für immer geschlossen. Seit 2010 gibt es etwa 4000 Apotheken weniger in Deutschland und der Trend scheint sich in 2024 noch weiter zu beschleunigen. Der Nachwuchs scheut mangels ausreichender Vergütung die Selbständigkeit. Die Industrie und Anstellungen im Ausland locken zudem mit höheren Gehältern. Für die Apotheker sei daher eine überfällige Honorarerhöhung notwendig – auch wegen gestiegener Energiekosten und Personalkosten. Noch gar nicht eingerechnet seien die eigenen Versorgungsbeiträge für Krankenkasse und Rente sowie die Bildung von Rücklagen. Die vielen Veränderungen der letzten Jahrzehnte hätten diesen wichtigen Beruf immer mehr unter Druck gesetzt.
Nezahat Baradari pflichtet den Apothekern in weiten Teilen bei, sie teilt auch deren Sorge um gestiegene Kosten und eine im Vergleich zu anderen Gesundheitsberufen seit über 10 Jahren nicht mehr angepasste Vergütung. In anderen Fragen gehen die Meinungen auseinander, wie zum Beispiel bei der Sinnhaftigkeit von Zweigapotheken oder Gesundheitskiosken in sog. sozialen Brennpunkten oder telepharmazeutischer Fachberatung durch einen approbierten Apotheker. Aber es sei wichtig, im Gespräch zu bleiben. „Die Reform hat noch einen weiten Weg vor sich. Als Bundestagsabgeordnete werde ich ihn intensiv begleiten, den Gesetzentwurf auf Lücken und Verbesserungsbedarf prüfen und den Berichterstattern im Gesundheitsausschuss die Bedenken der Apothekerschaft weiterleiten. Die Apothekerinnen und Apotheker haben meine Unterstützung und wir müssen die unterschiedlichen Auffassungen über notwendige Maßnahmen zusammenzuführen“, so Baradari.
Abschließend bittet Baradari die Apotheker, ihr Probleme aus der Praxis immer wieder mitzuteilen: „Das kann die Politik nicht alleine leisten. Wir setzen Rahmenbedingungen nach bestem Wissen und Gewissen. Aber wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen“, resümiert die Abgeordnete und versprach, die Sorgen und Vorschläge aus diesem Gespräch für ihre Ausschuss- und Parlamentsarbeit erneut mit nach Berlin zu nehmen. Einige ihrer Forderungen aus dem letzten Jahr wurden bereits vom BMG erhört und verbessert.