Normalerweise erkunde ich das Sauerland mit meinem 63 Jahre alten Heinkel-Roller, wahlweise mit meinem ähnlich alten Heinkel-Kabinenroller. 10 PS, maximal 82 Stundenkilometer, mehr ist nicht drin. Trecker überholen? Damit eher nicht. An diesem Morgen ändert sich meine Motorisierung jedoch fundamental.

Es ist der dritte und letzte Tag der „Sauerland-Klassik“ 2023. Mit der „Rallye im Land der 1000 Berge“ will Veranstalter Peter Göbel rund 200 Teilnehmern mit Oldtimerbenzin im Blut die Schönheit meiner Heimat vor Augen führen. Und den Sauerländern die Schönheit historischer Fahrzeuge auf geschwungenen Landstraßen.

Anders als die meisten anderen Teilnehmer habe ich eine kurze Anreise. Von Olpe, wo ich seit Jahrzehnten wohne, ist es nach Attendorn nur ein Katzensprung. Es ist neblig, als sich um 8.15 Uhr auf dem Attendorner Marktplatz ein Fahrerfeld in Bewegung setzt, das es nicht alle Tage in der malerischen Kleinstadt zu bestaunen gibt. Mit dabei sind staatstragende Karossen wie der Mercedes 300 SEL 3,5, skurrile Seltenheiten wie der Citroën Visa Chrono und edle Sportler wie der Jaguar XK 120. Sportlich ist auch der Skoda 120 LR von 1985, in dem ich Platz nehmen darf. Es ist ein Rallye-Geschoss mit nur 730 Kilo Gewicht und immerhin 130 PS im Heck, die uns nun in Richtung Wittgensteiner Land tragen.

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Obwohl ich seit meiner Jugend von alten Fahrzeugen fasziniert bin und mich auch als Betreiber der Website „www.Oldtimermuseen.de“ der Schrauberszene eng verbunden fühle – an einer Oldtimerrallye habe ich bisher noch nie teilgenommen. Dass ich als Beifahrer einem Profi wie Matthias Kahle zugeordnet bin, macht mich noch nervöser. Zumal er immer wieder nach Autogrammen gefragt wird. Dieser Mann ist in der Szene ein Star. Seit rund 30 Jahren ist der gebürtige Görlitzer im Motorsport aktiv, hat allein sieben Mal die Deutsche Rallye-Meisterschaft gewonnen. Und nun soll ich ihm also sagen, wo er lang zu fahren hat? Peter Göbel hat uns Neulingen zwar vor der Tour genau erklärt, wie man ein Roadbook mit all seinen Hieroglyphen zu lesen hat. Aber trotzdem ist meine Aufregung groß.

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Aber auch unbegründet. Ich verstehe mich auf Anhieb hervorragend mit Matthias Kahle. Er ist ein lockerer, sympathischer Mittfünfziger, der mir in jeder Sekunde ein sicheres Gefühl gibt. Routiniert überholt er auf langgezogenen Geraden lahme Landmaschinen, bleibt am Steuer aber immer gelassen. Sicher steuert er uns durch die Serpentinen am Rhein-Weser-Turm, während er mit mir über Gott und die Welt plaudert. Wer die Rallye Dakar mehrfach erfolgreich gefahren ist, lässt sich vom Sauerland nicht aus der Ruhe bringen.

Dass wir zwei Mal eine Abfahrt verschwitzen, weil wir uns so angeregt unterhalten, ist natürlich meine Schuld. Ich habe nicht aufgepasst. Aber egal. Bei der Sauerland-Klassik kommt es ohnehin nicht auf Schnelligkeit an. Die Punktewertung basiert auf den kleinen Fahrprüfungen, die am Straßenrand auf uns warten. Dabei muss immer eine Strecke möglichst in einer vordefinierten Zeit gefahren werden. In Alertshausen findet die Durchfahrtsprüfung sogar in einem Kuhstall statt. Als ich einmal als Zeitnehmer den exakten Einsatz verpasse, nimmt mir Matthias Kahle auch dies nicht übel. Das komme selbst unter Profis vor, meint er.

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Veranstalter Peter Göbel hingegen macht keine Fehler. Dem Zufall überlässt er nichts, alles ist perfekt organisiert und läuft exakt nach Plan. Für die Fahrer geht es umso entspannter zu. Unterwegs legen wir sogar eine Foto-Pause ein: tschechischer Fichten-Flitzer vor Wittgensteiner Nadelwald. Das will festgehalten werden. Vor allem, da sich nun immer mehr die Sonne zeigt. Schöne Kulissen gibt jetzt überall. Der Tross aus rund 100 Fahrzeugen schiebt sich gemächlich durch schmucke Dörfchen wie Aue, Birkelbach oder Feudingen, legt Zwischenstopps in Bad Laasphe, am Rhein-Weser-Turm und am Bad Berleburger Schloss ein und wird fast überall von begeisterten Oldtimerfans empfangen.

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Die Festhalle von Berghausen, die für unsere Mittags-Einkehr reserviert ist, hat die Oldtimer-Interessengemeinschaft Bad Berleburg sogar bis ins Detail dekoriert, als wie eintreffen. Wir speisen in Gegenwart einer historischen Tankstelle und bestaunen ein altes Wohnwagen-Gespann. Einfach stark.

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Am Nachmittag sind wir zurück in Attendorn. Ich bin begeistert. Ich habe einen Tag erlebt, wie ich ihn selten erlebt habe. Die Abschlussgala am Abend setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Dass Matthias Kahle und ich bei der Punktewertung nur irgendwo im Mittelfeld gelandet sind, spielt dann längst keine Rolle mehr.

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Text und Fotos: Dieter Lammersdorf

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