Dienstag, 01. April 2025

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Dem inne­ren Brand­stif­ter Hand­schel­len anle­gen

Stei­fe Gelen­ke, Schwel­lun­gen und Schmer­zen: Rund 1,8 Mil­lio­nen Men­schen lei­den in Deutsch­land an einer rheu­ma­ti­schen Erkran­kung – Ten­denz stei­gend. Eine davon ist Nad­ja Engels aus Olpe. Viel Bewe­gung ist ihre For­mel für ein (fast) nor­ma­les Leben.

„Stel­len Sie sich vor, bei jedem Schritt wür­den Sie von Gum­mi­bän­dern wie in einem schlech­ten Traum nach hin­ten gezo­gen und haben das Gefühl, gar nicht von der Stel­le zu kom­men – und das andau­ernd“. Nad­ja Engels (45) ist nie­mand, der sich schnell unter­krie­gen lässt. Die Mut­ter eines Teen­ager-Soh­nes rei­tet ger­ne und stärkt regel­mä­ßig im Fit­ness-Stu­dio ihre Mus­ku­la­tur. Wenn sie jedoch in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den wie­der ein Schub ereilt, geht gar nichts mehr. Frau Engels lei­det schon ihr hal­bes Leben lang an Poly­ar­thri­tis. Bei die­ser rheu­ma­ti­schen Erkran­kung sind gleich­zei­tig fünf oder mehr Gelen­ke betrof­fen. Ist der gefürch­te­te Schub da, wer­den die Schmer­zen uner­träg­lich. „Dann ist nicht mal an Bro­te schmie­ren zu den­ken, an Gehen schon mal gar nicht.“

Das Schmerz­feu­er löschen

Dr. Danie­la Met­tal-Min­ski behan­delt Nad­ja Engels seit acht Jah­ren. Die erfah­re­ne Rheu­ma­to­lo­gin prak­ti­ziert an der Heli­os Kli­nik Atten­dorn und weiß genau, was ihre Pati­en­tin im Not­fall drin­gend benö­tigt. „Als Akut­be­hand­lung inji­zie­re ich ihr dann ein Cor­ti­son-Prä­pa­rat direkt in das Gelenk oder die schmer­zen­de Seh­ne. Dann ist das Schmerz­feu­er erst­mal gelöscht. Lang­jäh­ri­ge prak­ti­sche Erfah­rung ist dabei von Vor­teil, weil die Tech­nik anspruchs­voll ist und kei­ne wei­te­ren Erre­ger in den Kör­per gelan­gen dür­fen. Aber damit habe ich dem eigent­li­chen, dem inne­ren Brand­stif­ter noch kei­ne Hand­schel­len ange­legt, der über­all Feu­er legt“, sagt Dr. Met­tal-Min­ski. Das Cor­ti­son sei ledig­lich die Feu­er­wehr, die einen Brand löscht, aber der Brand­stif­ter, los­ge­schickt vom kör­per­ei­ge­nen Immun­sys­tem, der lau­fe typi­scher­wei­se dann immer noch frei her­um, so die Fach­me­di­zi­ne­rin. Den kön­ne man nur durch eine Lang­zeit­the­ra­pie fas­sen, die oft ein Leben lang dau­ert.

Rheu­ma ist ein Sam­mel­be­griff für über hun­dert ver­schie­de­ne Erkran­kun­gen, die den Bewe­gungs­ap­pa­rat, also Gelen­ke, Kno­chen, Mus­keln, Seh­nen und das Bin­de­ge­we­be, betref­fen. Die häu­figs­ten For­men sind die Arthro­se und die rheu­ma­to­ide Arthri­tis. Rheu­ma betrifft Men­schen jeden Alters, aller­dings nimmt die Häu­fig­keit mit dem Alter zu. Auch Kin­der kön­nen an spe­zi­el­len For­men des Rheu­mas erkran­ken. Laut der Deut­schen Gesell­schaft für Rheu­ma­to­lo­gie und Kli­ni­sche Immu­no­lo­gie lei­den etwa 2,6 Pro­zent der erwach­se­nen Bevöl­ke­rung in Deutsch­land an einer ent­zünd­lich-rheu­ma­ti­schen Erkran­kung. Dies ent­spricht etwa der Ein­woh­ner­zahl von Ham­burg.

Für vie­le Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sind Spe­zia­lis­ten wie Danie­la Met­tal-Min­ski die letz­te Hoff­nung nach einem lan­gen Lei­dens­weg. Dazu trägt auch bei, dass einer stei­gen­den Zahl von Erkrank­ten immer weni­ger Fach­ärz­te gegen­über­ste­hen, die auf das kom­ple­xe Krank­heits­phä­no­men Rheu­ma spe­zia­li­siert sind. Die War­te­lis­ten in den Pra­xen sind auch im Olper Kreis­ge­biet lang.

Ganz­heit­li­cher Blick erfor­der­lich

Grund­la­ge für eine The­ra­pie ist zum einen die rich­ti­ge Dia­gnos­tik, weil Rheu­ma-Sym­pto­me häu­fig unspe­zi­fisch sind. Ähn­lich­kei­ten mit ande­ren Krank­hei­ten füh­ren oft zu fal­schen Behand­lun­gen und ver­schlim­mern die Sym­pto­ma­tik bei Pati­en­ten. Wich­tig dabei ist der Ein­satz der pas­sen­den Medi­ka­men­te in einer ange­mes­se­nen Dosie­rung. Zum ande­ren kommt es auf einen ganz­heit­li­chen Blick an. Denn Rheu­ma ist eine Sys­tem­er­kran­kung. Das bedeu­tet, die Ent­zün­dungs­her­de kön­nen nicht nur die Gelen­ke befal­len, son­dern auch Orga­ne, Ner­ven­sys­tem und vie­le ande­re Berei­che des Kör­pers. Das macht die Behand­lung so lang­wie­rig und schwie­rig. Und auch das The­ma Hei­lung: Die aller­meis­ten Krank­heits­ver­läu­fe sind chro­nisch. Oft geht es mehr dar­um, die Fol­gen der Erkran­kung, gera­de wenn die Erkran­kung schon fort­ge­schrit­ten ist, abzu­fe­dern, bei­spiels­wei­se durch ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel oder ope­ra­ti­ve Ein­grif­fe.

Hilf­reich ist ein gesun­der Lebens­wan­del mit viel Bewe­gung. „Frü­her hat man den Rheu­ma­ti­kern meis­tens Scho­nung auf­er­legt: kein Sport, kein Kraft­trai­ning. Heu­te sagt man klipp und klar: Wenn die Gelen­ke intakt sind, hilft eine gestärk­te Mus­ku­la­tur unge­mein. Man darf sich nur nicht über­las­ten und muss indi­vi­du­ell die Gren­zen aus­lo­ten.“ So wie Nad­ja Engels. So oft es ihre Zeit zulässt, trai­niert sie gezielt ihre Mus­ku­la­tur, rei­tet ihren Wal­lach Tan­go aus und geht mit Ehe­mann und Labra­dor Bai­ley spa­zie­ren. Dane­ben arbei­tet die frü­he­re Jus­tiz­voll­zugs­be­am­tin als Aus­lie­fe­rungs­fah­re­rin für eine Bäcke­rei.

Bei allem Taten­drang ist ihr nur all­zu bewusst, dass das alles kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit für jeman­dem mit ihrem Krank­heits­bild ist. „Ich bin sehr dank­bar, dass ich durch die Behand­lung das alles weit­ge­hend in den Griff bekom­men habe und mein Leben selbst­be­stimmt meis­tern kann, wenn es auch hin und wie­der Rück­schlä­ge gibt. Des­we­gen wol­le sie ande­ren Men­schen, die Hil­fe benö­ti­gen, auch etwas zurück­ge­ben, so Engels, die seit die­sem Win­ter­se­mes­ter ein Psy­cho­lo­gie­stu­di­um absol­viert. „Ein­fach kann jeder. Ich hel­fe ger­ne Men­schen und mit dem neu­en Fach­wis­sen kann ich das noch bes­ser als ohne­hin schon.“

Info: Die Deut­sche Rheu­ma-Liga Nord­rhein-West­fa­len e.V. bie­tet jeden Diens­tag von 11–14 Uhr sowie nach Abspra­che eine Bera­tungs­sprech­stun­de in der Heli­os Kli­nik Atten­dorn an.

Mehr unter www.rheuma-liga-nrw.de/arbeitsgemeinschaft/olpe.

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