Das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt ist am 21. März 2021 in Kraft getreten. Es stellt den Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg vor eine Mammutaufgabe. Bis zum 31. März 2024 wird der heimische Kirchenkreis so rund 1000 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Aufwand von bis zu 25 Stunden pro Person schulen.
Der Zeitplan für die Abwicklung muss hierbei bis zum 30. Juni 2022 stehen. Diese neue kirchengesetzliche Regelung bedeutet für alle Beteiligten Pionierarbeit.
Der Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg will diese Aufgabe aus voller Überzeugung übernehmen. Das hat die Kreissynode bei ihrer digitalen Tagung am 26. Juni einstimmig beschlossen. Der Beschluss lautete im Detail: „Der Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg begrüßt das Kirchengesetz zum Schutz vor sexueller Gewalt und bekennt sich zu seiner Verantwortung, Menschen, die kirchliche Angebote annehmen oder als Mitarbeitende hier tätig sind, vor allen Formen sexualisierter Gewalt zu schützen und Betroffene angemessen zu unterstützen.“
Superintendent Dr. Christof Grote wies während der Synode auf die besondere Bedeutung hin, die das neue Gesetz für den Kirchenkreis besitzt. „Wir haben die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass über Jahre hinweg in der Kirchengemeinde Brügge und beim CVJM ein Gruppenleiter Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan hat.“ Der Fall war im vergangenen Jahr bekannt geworden.
Eine strafrechtliche Verfolgung des mutmaßlichen Täters war nicht mehr möglich, da sich der Mann nach dem Bekanntwerden der Vorfälle das Leben genommen hatte. Dennoch arbeiten der Kirchenkreis und die Kirchengemeinde, in Zusammenarbeit mit der Landeskirche, seit fast einem Jahr mit Hochdruck daran, den Fall aufzuklären und die Betroffenen zu unterstützen.
Regina Bahlo vom Kreissynodalvorstand verdeutlichte: „Sexuelle Gewalt ist mitten unter uns. Und das schon lange. Vor diesem Hintergrund nehmen wir die Selbstverpflichtung an, allen den erforderlichen Schutz zu gewähren, Widerstand gegen sexuellen Missbrauch zu leisten und Wege anzubieten, wenn die Not erkannt wird.“ Sie versicherte: „Wir werden aktiv sein und uns der
Aufgabe stellen.“
Zuvor hatte Daniela Fricke, Landeskirchliche Beauftragte für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung, das Gesetz und insbesondere die Bedeutung der Ansprech- und Meldestelle erklärt.
Rendel Simon, Leiterin der psychologischen Beratungsstelle des Diakonischen Werkes in Lüdenscheid, hat inzwischen eine Ausbildung als Präventionspartnerin absolviert. Sie erläuterte bei der Synode die Ziele der Schulungen zum Schutz vor sexueller Gewalt. Danach sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in besonderer Weise für das Thema sensibilisiert werden. Es soll ein Klima geschaffen werden, in dem Grenzverletzungen angesprochen werden können. Daraus soll ein verbesserter Schutz für Kinder und Jugendliche, Gemeindeglieder, Klientinnen und Klienten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgen. Ein wesentlicher Punkt ist auch die Handlungssicherheit in Verdachtsfällen.
Die Schulungen sollen Basiswissen vermitteln und beispielsweise auch die Frage klären, was bereits eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist. Darüber hinaus geht es um Täterstrategien und institutionelle Gefahren sowie Risikofaktoren, die sexuellen Missbrauch begünstigen.
Neben Rendel Simon werden Andrea Bäcker und Monika Triffo als Multiplikatorinnen im Kirchenkreis und in den Kirchengemeinden unterwegs sein. Jutta Tripp aus dem Büro des Superintendenten wird als Präventionsfachkraft die Moderation bei der Erstellung der
Risikoanalyse und des passgenauen Schutzkonzeptes übernehmen. Denn eins ist klar: „Das eine Schutzkonzept, das auf alle zutrifft, gibt es nicht“, betonte Superintendent Grote.
Die Umsetzung des neuen Kirchengesetzes zieht auch einen erhöhten finanziellen Aufwand nach sich. Die Synode beschloss daher mehrheitlich, dass der Kirchenkreis für die Jahre 2021 und 2022 einen Kostenanteil von 60.000 Euro übernimmt, um dieser Aufgabe und Verantwortung gerecht zu werden. Der Betrag kann aus den Kirchensteuer-Mehreinnahmen im Jahr 2020 entnommen
werden. Die Landeskirche steuert für die beiden Jahre den gleichen Anteil bei. Welche Regelungen in den Folgejahren getroffen werden, wird auf einer kommenden Synode entschieden.
So steht für den heimischen Kirchenkreis und der Landeskirche eine große Aufgabe bevor, auf die man aber zuversichtlich blickt. Daniela Fricke als landeskirchliche Beauftragte fasst es so zusammen: „Wir werden den Weg Schritt für Schritt gehen und es wird gelingen!“
Synode zum zweiten Mal digital
Konzentriert, diszipliniert, engagiert – so lässt sich die Atmosphäre bei der zweiten rein digitalen Synode des Ev. Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg beschreiben. Die Erfahrungen aus der ersten Tagung mit einem Kernteam im Haus der Kirche an der Lüdenscheider Hohfuhrstraße und über 100 Synodalen und Gäste an den heimischen Bildschirmen haben alle gut umgesetzt. Nur
wenige Menschen hielten sich im Synodenstudio im Haus der Kirche auf. Mehr Raum als die anwesenden Personen nahm da die aufgebaute Technik in Anspruch. Sechs Kameras, teilweise ferngesteuert, waren auf die Redner ausgerichtet und übertrugen das Bild für alle Teilnehmer. Scheinwerfer, Mikrofone und jede Menge Steuertechnik vervollständigten die Ausrüstung. Große und kleine Monitore übertrugen das Geschehen für alle sichtbar. Per Texteingabe konnte sich jeder zu Wort melden. Je nach Bedarf wurden Präsentationen eingeblendet. Die Abstimmungen erfolgten per Tastenklick.
So wurde auch der übliche Abendmahlsgottesdienst zu Beginn der Sommersynode online ausgestrahlt. Die Synodalen nahmen an einem von der Ev. Kirchengemeinde Rönsahl übertragenen Online-Gottesdienst teil, in dem Pfarrer George Freiwat seine Predigt auch thematisch anpasste. Hier predigte er zum Thema Zoom und die Verbindung zu Jesus.
„Technisch und organisatorisch hat alles gut und wie geplant funktioniert“, zog Matthias Willnat, – als Pressesprecher und Referent für die Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenkreises für die Organisation verantwortlich – eine positive Bilanz. Die Technik lag wieder in der Hand von David Heuer, der sein mobiles Studio für Digital-Veranstaltungen aufgebaut hatte. Die Synode ging rund vier Stunden lang, routiniert ohne nennenswerte Probleme im Ablauf.
Nachwuchsmangel im Pfarramt sorgt zukünftig für Herausforderungen
Was in den nächsten 15 Jahren auf den Kirchenkreis und seine 23 Gemeinden zukommt, ist allerdings kaum mit Routine zu bewältigen. Das ging bei der Synode aus dem Bericht von Superintendent Dr. Christof Grote hervor. Die Ev. Kirche von Westfalen hat schon heute große Schwierigkeiten ihre Pfarrstellen zu besetzen. In den nächsten Jahren wird der Nachwuchsmangel immer deutlichere Auswirkungen haben.
Vor diesem Hintergrund hat die Leitung der Landeskirche einen Zahlenkorridor entwickelt, der diesen Mangel ausgleichen soll. Die Richtwerte sehen wie folgt aus: Bis 31. Dezember 2025 sollen noch eine Pfarrerin oder ein Pfarrer auf 3000 Gemeindeglieder kommen. Dann verändert sich die Bemessungsgrundlage. Der Schlüssel wird bis Ende 2030 voraussichtlich 1: 4000, bis Ende 2035
sogar 1:5000 sein.
„So will die Landeskirche für die gerechte Verteilung von Pfarrerinnen und Pfarrern sorgen“, berichtete Dr. Christof Grote. Bei der künftigen Entwicklung spielten sicherlich viele Faktoren eine Rolle. „Die Tendenz ist aber deutlich“, stellte der Superintendent fest.
Aus dem Kreis der Synodalen wurde nach dieser Ankündigung Kritik laut. Die Ev. Kirche von Westfalen habe es versäumt, theologischen Nachwuchs anzuwerben. In anderen Landeskirchen wäre das Problem längst nicht so groß. „Das ist ein hausgemachtes Problem. Die Landeskirche muss hier viel mehr unterstützen, denn am Ende liegt das Problem bei den Gemeinden vor Ort“, hieß es in den Reaktionen der Synodalen.
Interprofessionelle Pastoralteams könnten die Probleme abmildern. Das Konzept dafür hat die Landessynode bei ihrer jüngsten Tagung beschlossen. Dr. Christof Grote berichtete, dass über diese Pastoralteams Leitungsverantwortung stärker als bisher auf mehrere Schultern verteilt wird: Neben Pfarrerinnen und Pfarrern werden auch Diakoninnen und Diakone sowie
Gemeindepädagoginnen und -pädagogen gleichberechtigt in den neuen Pastoralteams mitarbeiten. Auch Mitarbeitende aus Kirchenmusik und Verwaltung/Organisation können darin eingebunden werden. „Hier stehen wir allerdings erst ganz am Anfang der Diskussion“, betonte der Superintendent.
Im Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ informierte Superintendent Dr. Christof Grote zudem über den anstehenden Verkauf des Hauses Nordhelle. Die Landhaus Nordhelle Betriebsgesellschaft mbH, bestehend aus den Investoren Uwe Martens, Gunnar Schlicht und Tobias Kogge habe das ehemalige Tagungs- und Begegnungszentrum der heimischen Kirchenkreise zum 1. Januar 2019 als Pächter übernommen. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen hätten das engagierte Investoren-Trio vor große Probleme gestellt. Außerdem sei die notwendige Änderung des Bebauungs- und Flächennutzungsplans durch die Stadt Meinerzhagen noch nicht erfolgt. Bislang dürfe das Gelände nur für kirchliche Zwecke genutzt werden. Die notwendigen Beschlüsse durch die Stadt Meinerzhagen stünden aber bevor. Dr. Christof Grote zeigte sich zuversichtlich, dass der Verkauf des Hauses noch in
diesem Sommer abgeschlossen werden könne.
Die Termine für die beiden Kreissynoden im nächsten Jahr wurden auch beschlossen. Die Ganztagssynode wird am 21. Mai 2022 stattfinden. Die turnusmäßige Finanzsynode wurde auf den 9. November 2022 gelegt. Superintendent Grote äußerte in diesem Zusammenhang die große Hoffnung, dass diese Synoden dann wieder in Präsenz stattfinden können. Damit sprach der
Superintendent den Synodalen aus dem Herzen.
(EKKLP)