Dienstag, 01. Juli 2025

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„Gesundheitsförderung nicht erst am Feierabend starten“

Zum Tag der Pflege: Johanna Hannay, Stabstelle Pflegeentwicklung der GFO Kliniken Südwestfalen, spricht über das betriebliche Gesundheitsmanagement

Jedes Jahr wird am 12. Mai, Geburtstag der Begründerin der modernen Krankenpflege Florence Nightingale, der Internationale Tag der Pflege gefeiert. In diesem Jahr wird dabei unter der Überschrift „Our Nurses. Our Future. Caring for nurses strengthens economies“ die Gesundheit der Pflegekräfte und deren Wichtigkeit in den Fokus gerückt. Johanna Hannay bekleidet die Stabsstelle Pflegeentwicklung in den GFO Kliniken Südwestfalen, in ihren Verantwortungsbereich gehört auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Im Interview spricht sie über gesundheitliche Herausforderungen in der Pflege – aber auch um die Gesundheitsförderung im Alltag.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten gesundheitlichen Herausforderungen für Pflegende?
In der Pflege erleben wir viele verschiedene Herausforderungen gleichzeitig: hohe Verantwortung, Zeitdruck, emotionale Belastungen und immer wieder neue Anforderungen – sei es durch die Digitalisierung, den Fachkräftemangel oder anspruchsvollere Patient:innen. Das sind reale Belastungen, keine Frage. Aber was mich vor allem beschäftigt: Wir Pflegenden haben uns in den vergangenen Jahren teilweise angewöhnt, schneller in die Resignation zu gehen, statt handlungsfähig zu bleiben. Das ist verständlich, aber auf Dauer gefährlich – denn wir geben damit auch Gestaltungsspielräume ab und leider auch Verantwortung.

Wie unterstützen die GFO Kliniken Südwestfalen aktuell die Gesundheit von Pflegekräften konkret?
Nach der Mitarbeiterbefragung 2024 haben wir klargesehen: Der größte Bedarf liegt im Bereich psychische Gesundheit. Genau da setzen wir in diesem Jahr den Schwerpunkt. Ab Juni starten wieder konkrete Angebote im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements – in Kooperation mit der Barmer. Ziel ist nicht nur, Probleme sichtbar zu machen, sondern gemeinsam Strategien zu entwickeln, wie wir besser mit Belastungen umgehen können. Die Umsetzung bleibt individuell – aber wir geben Impulse, Werkzeuge und Begleitung an die Hand.

Welche Rolle spielt betriebliches Gesundheitsmanagement, wenn es darum geht, Pflegekräfte langfristig im Beruf zu halten?
Ein gutes BGM kann auf mehreren Ebenen wirken – körperlich, psychisch und auch kulturell. Und genau hier wird es spannend: Wenn wir als Team, als Bereich, als Organisation entscheiden: „Wir bleiben handlungsfähig“, dann kann BGM dazu beitragen, diese Haltung zu stärken. Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen – aber im Gespräch zu bleiben, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, sich gegenseitig zu unterstützen. Die Angebote, die zum Beispiel das BGM machen kann, sind dafür eine gute Grundlage – aber sie ersetzen nicht die Eigenverantwortung jedes Einzelnen.

Wie lassen sich Gesundheitsförderung und die Arbeitsbedingungen in der Pflege unter einen Hut bringen? Indem wir erkennen, dass Gesundheit kein Extra ist – sondern Teil unserer beruflichen Verantwortung. Wer dauerhaft leistungsfähig sein will, muss auch gut für sich selbst sorgen. Gesundheitsförderung darf nicht erst am Feierabend starten, sondern muss im Alltag mitgedacht werden: im Miteinander im Team, in der Führung, in der Dienstplanung. Es geht darum, unsere Arbeitskultur so zu gestalten, dass sie uns trägt, nicht auslaugt – und ja, hier ist mir durchaus bewusst, dass der Fachkräftemangel sowie der Schichtdienst, etc. dafür nicht gerade förderlich sind, aber genau deswegen ist es so wichtig, dass wir uns immer an unsere eigene Verantwortung erinnern! Dem Team gegenüber, dem Arbeitgeber gegenüber aber an allererster Stelle uns selbst gegenüber. Mehr als arbeiten können wir alle nicht.

Wie stellen Sie sich das Betriebliche Gesundheitsmanagement in der Pflege im Jahr 2030 vor?
Ich wünsche mir ein BGM, das sich nicht nur an den Symptomen orientiert, sondern an den Ursachen. 2030 sollte es normal sein, dass Teams regelmäßig über ihre Belastungen sprechen, dass Führungskräfte Gesundheit als Teil ihres Auftrags sehen – und dass digitale Tools, wie sie heute schon immer mehr genutzt werden, helfen, rechtzeitig gegenzusteuern. Gesundheit darf kein „Sonderprojekt“ sein, sondern gehört zur Organisationsentwicklung genauso wie zur Fachlichkeit. Und gerade im Krankenhaus sollte jedem einzelne bewusst sein, dass die Gesundheit unser höchstes Gut ist.

Welche innovativen oder ungewöhnlichen Ideen könnten die Gesundheit der Pflegekräfte nachhaltig verbessern?
Innovation bedeutet für mich nicht automatisch Technik – sondern neues Denken. Zum Beispiel: Pflege-Coachings im Arbeitsalltag, kurze Reflexionsrunden im Team, Micro-Pausen für den Kopf. Oder auch einfach mal der Raum, offen über Überforderung zu sprechen, ohne dass das als Schwäche ausgelegt wird. Ich glaube fest daran, dass wir in dieser herausfordernden Zeit auch eine enorme Chance haben: Wir dürfen mitgestalten. Wir haben eine Pflegedirektion, die uns fordert – ja, definitiv. Aber wir haben auch Mitspracherecht und Teilhabe, und das ist nicht selbstverständlich. Das sollten wir nutzen, um aktiv Teil des Wandels zu sein.

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