Samstag, 08. Februar 2025

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Ober­arzt Dursun Ars­lan spricht über die ger­ia­tri­sche Behand­lung in den GFO Kli­ni­ken Süd­west­fa­len

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Dursun Ars­lan, Ober­arzt in der Inne­ren Medi­zin und Sek­ti­ons­lei­ter Ger­ia­trie in den GFO Kli­ni­ken Süd­west­fa­len (Foto: GFO Kli­ni­ken Süd­west­fa­len)

Der Alters­me­di­zin oder Ger­ia­trie kommt bei den aktu­el­len demo­gra­phi­schen Ent­wick­lun­gen eine immer wich­ti­ge­re Rol­le zu. Das zeigt auch die Tat­sa­che, dass das Lan­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um jüngst in sei­nem Votum zum NRW-Kran­ken­haus­plan die Ger­ia­trie am St. Mar­ti­nus-Hos­pi­tal Olpe gestärkt hat. Doch wie erken­nen die Ger­ia­ter über­haupt alters­be­ding­te Krank­hei­ten? Und was sind die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen in der Behand­lung ger­ia­tri­scher Pati­en­ten. Das beant­wor­tet Dursun Ars­lan, Ober­arzt in der Inne­ren Medi­zin und Sek­ti­ons­lei­ter Ger­ia­trie in den GFO Kli­ni­ken Süd­west­fa­len im Inter­view. Dabei geht er auch auf die Wich­tig­keit des Sozi­al­diens­tes bei der Ver­sor­gung von Ger­ia­trie-Pati­en­ten ein.

Wel­che dia­gnos­ti­schen Tests und Ver­fah­ren sind beson­ders wich­tig für die früh­zei­ti­ge Erken­nung von alters­be­ding­ten Krank­hei­ten?
Durch die demo­gra­fi­sche Ent­wick­lung nimmt die Anzahl älte­rer und hoch­be­tag­ter Men­schen in der Not­auf­nah­me der Kran­ken­häu­ser zu. Für die­se Pati­en­ten muss man spe­zi­el­le medi­zi­ni­sche Kon­zep­te ent­wi­ckeln. Wir haben bei uns im Haus den ISAR-Score, der inter­na­tio­nal weit ver­brei­tet ist. Bei Auf­nah­me in der Not­fall­am­bu­lanz wer­den den Pati­en­ten sechs leich­te Fra­gen gestellt, die sie mit Ja und Nein beant­wor­ten sol­len. Durch die Ant­wor­ten ergi­bit sich der ISAR-Score. Ist die­ser höher als Zwei, kann man nach­fol­gend ein ger­ia­tri­sches Basis-Assess­ment durch­füh­ren. Das dient der Erfas­sung der Pro­ble­me, aber auch der Fest­stel­lung erhal­te­ner Funk­tio­nen des älte­ren Pati­en­ten. Es ist ein dia­gnos­ti­scher Pro­zess zur sys­te­ma­ti­schen Erfas­sung der medi­zi­ni­schen, funk­tio­nel­len und psy­cho­so­zia­len Res­sour­cen und Pro­ble­me betag­ter Pati­en­ten. Auf die­ser Grund­la­ge wird ein umfas­sen­der Plan zur wei­te­ren ganz­heit­li­chen Behand­lung und Betreu­ung auf­ge­stellt. Wir iden­ti­fi­zie­ren also, ob Pati­en­ten für eine Früh­re­ha­bi­li­ta­ti­on in Betracht kom­men. Nicht jeder alte Mensch ist auto­ma­tisch ein­ge­schränkt. Wir haben manch­mal 90-jäh­ri­ge Pati­en­ten, die top­fit sind. Die brau­chen kei­ne spe­zi­el­le ger­ia­tri­sche Behand­lung.

Wel­che spe­zi­fi­schen Her­aus­for­de­run­gen gibt es bei der Behand­lung ger­ia­tri­scher Pati­en­ten, und wie wer­den die­se bewäl­tigt?
Aus medi­zi­ni­scher, inter­nis­ti­scher Sicht stellt die Behand­lung hoch­be­tag­ter und mul­ti­mor­bi­der Pati­en­ten ein kom­ple­xes Pro­blem dar. So gibt es bei vie­len Pati­en­ten mul­ti­ple Erkran­kun­gen. Neben die­ser Mul­ti­mor­bi­di­tät ist die Poly­phar­ma­zie, also die Ein­nah­me von vie­len Medi­ka­men­ten täg­lich und der häu­fig ver­zö­ger­te Gene­sungs­ver­lauf von ger­ia­tri­schen Pati­en­ten als Her­aus­for­de­rung zu erwäh­nen. Lei­der gibt es wider­sprüch­li­che Emp­feh­lun­gen von den Fach­ge­sell­schaf­ten sowie eine man­geln­de Berück­sich­ti­gung der Mul­ti­mor­bi­di­tät in den evi­denz­ba­sier­ten Leit­li­ni­en. So stellt eine opti­mier­te Behand­lung die­ser Pati­en­ten­grup­pe für alle Fach­kol­le­gen eine gro­ße Her­aus­for­de­rung dar. Wir als Ger­ia­ter set­zen da an. Wir wol­len durch die indi­vi­du­el­le ger­ia­tri­sche Betrach­tung ein­zel­ner Pati­en­ten die Umset­zung der ganz­heit­li­chen Behand­lung ver­su­chen, die­sen Pro­ble­men ent­ge­gen­zu­wir­ken.

Wel­che Rol­le spie­len inter­dis­zi­pli­nä­re Teams in der ganz­heit­li­chen Behand­lung ger­ia­tri­scher Pati­en­ten?
Alte Men­schen brin­gen ja in der Regel nicht nur eine ein­zel­ne aku­te Erkran­kung mit. Stich­wort Poly­mor­bi­di­tät- Dann sind auch die pfle­ge­ri­schen Aspek­te eine Her­aus­for­de­rung. Dar­über hin­aus brau­chen Ger­ia­trie-Pati­en­ten sicher­lich auch the­ra­peu­ti­sche Unter­stüt­zung, Ergo­the­ra­pie oder Phy­sio­the­ra­pie. Schlag­an­fall­pa­ti­en­ten brau­chen zum Bei­spiel auch logo­pä­di­sche Betreu­ung. Sozi­al­me­di­zi­ni­sche Aspek­te sind wich­tig, da spielt dann auch der Sozi­al­dienst eine Rol­le. Ganz wich­tig ist es, dass das inter­dis­zi­pli­nä­re Team in der Ger­ia­trie als Ein­heit agiert. Mit dem Ziel, dass der Pati­ent eine best­mög­li­che medi­zi­ni­sche, pfle­ge­ri­sche, the­ra­peu­ti­sche und sozi­al­me­di­zi­ni­sche Unter­stüt­zung bekommt.

Wel­che spe­zi­el­len Her­aus­for­de­run­gen und Lösun­gen gibt es bei der Medi­ka­ti­on älte­rer Pati­en­ten, um Wech­sel­wir­kun­gen und Neben­wir­kun­gen zu mini­mie­ren?
In der Ger­ia­trie haben wir häu­fig Medi­ka­men­ten­kas­ka­den, aus denen häu­fi­ge Medi­ka­men­ten­ga­ben und Neben­wir­kun­gen resul­tie­ren. Wich­tig ist in der Inne­ren Medi­zin und vor allem in der Ger­ia­trie, dass man auf Nut­zen und Risi­ko der Medi­ka­ti­on über­prüft. Medi­ka­men­te anset­zen geht rela­tiv leicht, wenn das Risi­ko den Nut­zen aber über­wiegt, muss man Medi­ka­men­te auch wie­der abset­zen. Das geschieht lei­der nicht häu­fig. Wir haben manch­mal Pati­en­ten, die mit 15 ver­schie­de­nen Medi­ka­men­ten ins Haus kom­men. Wir strei­chen dann das ein oder ande­re raus, wenn das mög­lich ist. Medi­ka­men­te, die zwin­gend genom­men wer­den müs­sen, wer­den natür­lich bei­be­hal­ten. Dann gibt es die PRIS­CUS-Lis­te, nach der sich jeder Medi­zi­ner rich­ten kann. Die kann man über­all im Inter­net ein­se­hen. Dort sind Medi­ka­men­te auf­ge­führt, die man bei Ger­ia­trie-Pati­en­ten im hohen Alter ver­mei­den soll­te und wel­che man eher anset­zen soll­te. Als Bei­spiel ver­mei­den wir Ben­zo­dia­ze­pi­ne in der Ger­ia­trie, weil sie zu Stür­zen und Abhän­gig­keit füh­ren kön­nen. Pati­en­ten haben bei uns häu­fig Ein­schlaf- oder Dur­schlaf­stö­run­gen, die auf Mela­to­nin­man­gel beru­hen. Da geben wir Pri­mär Mela­to­nin als Medi­ka­ti­on und kei­ne Ben­zo­dia­ze­pi­ne, die dämp­fend auf das Zen­tra­le Ner­ven­sys­tem wir­ken. So kön­nen wir Neben­wir­kun­gen und Stür­ze ver­mei­den.

Wie wird sicher­ge­stellt, dass ger­ia­tri­sche Pati­en­ten eine kon­ti­nu­ier­li­che und koor­di­nier­te Ver­sor­gung erhal­ten, wenn sie meh­re­re chro­ni­sche Krank­hei­ten haben?
Das wich­tigs­te ist immer die Kom­mu­ni­ka­ti­on, nicht nur inner­halb des inter­dis­zi­pli­nä­ren Teams., da ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on bei uns sehr gut eta­bliert. Aber auch fach­über­grei­fend zwi­schen den betreu­en­den Ärz­ten. Der Behand­lungs­ho­ri­zont in der Ger­ia­trie bei uns ist in der Regel sehr über­schau­bar, es han­delt sich im zwei bis drei Wochen. Daher ist es wich­tig, dass der betreu­en­de Haus­arzt alle wich­ti­gen Infor­ma­tio­nen bekommt, um den Pati­en­ten wei­ter behan­deln zu kön­nen. Auch die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit sta­tio­nä­ren Pfle­ge­hei­men oder ambu­lan­ten Pfle­ge­diens­ten ist sehr wich­tig. Beson­ders muss man aber die Ange­hö­ri­gen zeit­nah mit ins Boot neh­men und über Erkran­kun­gen und Behand­lun­gen auf­zu­klä­ren.

Wel­che Rol­le spielt die Fami­lie und das sozia­le Umfeld in der Behand­lung und Gene­sung von ger­ia­tri­schen Pati­en­ten?
Das sind die pri­mä­ren Bezugs­per­so­nen. Je stär­ker das sozia­le Netz ist, des­to schnel­ler kann man Pati­en­ten wie­der in das häus­li­che Umfeld reinte­grie­ren. Nach der Akut­pha­se im Kran­ken­haus ist es wich­tig, dass die Pati­en­ten ein sozia­les Netz haben, das sie auf­fängt. Da sind enga­gier­te und gut infor­mier­te Ange­hö­ri­ge ganz wich­tig. Sie müs­sen ja auch die Maß­nah­men, die wir hier ergrei­fen oder für den ambu­lan­ten Bereich emp­feh­len, umset­zen. Die Ange­hö­ri­gen sind Bin­de­glied zwi­schen Ärz­ten und Pati­en­ten. Wer ein star­kes sozia­les Netzt hat, in dem er gut inte­griert ist, genest auch schnel­ler. Das ist auch das The­ma Ein­sam­keit im Alter. Wer kein Netz hat, wird depres­siv, ver­einsamt, ent­wi­ckelt eine Immun­schwä­che und so wei­ter. Das sorgt für see­li­sche und kör­per­li­che Erkran­kun­gen.

Wie wird der Über­gang von der sta­tio­nä­ren Behand­lung im Kran­ken­haus zur Pfle­ge zu Hau­se oder in einem Pfle­ge­heim orga­ni­siert und erleich­tert?
Da muss ich den Sozi­al­dienst her­vor­he­ben. Die Mit­ar­bei­te­rin­nen sind alle klas­se. Sie sind sehr enga­giert, machen mehr als sie müs­sen. Der Sozi­al­dienst über­nimmt die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Ange­hö­ri­gen, Pfle­ge­hei­men, Kurz­zeit­pfle­ge, Senio­ren­ein­rich­tun­gen, mit Ämtern, wenn eine Betreu­ung ein­ge­rich­tet wer­den muss. Auf die kann man sich blind ver­las­sen. Der Über­gang wird sehr gut koor­di­na­tiv umge­setzt.

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