Mittwoch, 12. Februar 2025

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Atten­dor­ner Erlö­ser­kir­che wur­de 110 Jah­re alt

Gro­ßes Kirch­weih­fest rund um das „Geburts­tags­kind“

Mit einem Fest­got­tes­dienst und einem gro­ßen Gemein­de­fest rund um das „Geburts­tags­kind“ fei­er­te die evan­ge­li­sche Kir­chen­ge­mein­de Atten­dorn-Len­ne­stadt jetzt den 110. Geburts­tag ihrer Erlö­ser­kir­che am Klos­ter­platz in Atten­dorn. Denn am 28. Juli 1914 wur­de sie ein Jahr nach ihrer Grund­stein­le­gung am 3. August 1913 fei­er­lich ihrer Bestim­mung über­ge­ben.

Vor dem Altar hat­te Pfar­rer Andre­as Schlie­be­ner noch in der Nacht zum Sonn­tag ein Holz­ge­rüst auf­ge­baut, das in sei­ner Sil­hou­et­te der Kir­che ähnel­te, um dort im Got­tes­dienst von den Besu­che­rin­nen und Besu­chern ent­zün­de­te Tee­lich­ter anbrin­gen zu kön­nen. In sei­ner Begrü­ßung und Pre­digt ging er immer wie­der auf die Geschich­te der Erlö­ser­kir­che ein.

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Pfar­rer Andre­as Schlie­be­ner vor der mit Tee­lich­tern geschmück­ten Sil­hou­et­te der Erlö­ser­kir­che

Er erin­ner­te dar­an, dass das Kirch­weih­fest kein unbe­schwer­tes Fest mehr gewe­sen sei. Die dro­hen­de Mobil­ma­chung über­schat­te­te alles. Der ers­te regu­lä­re Got­tes­dienst in der Erlö­ser­kir­che am Sonn­tag, den 2. August 1914, ver­ab­schie­de­te mit einem Abend­mahls­got­tes­dienst die ers­ten Trup­pen an die Front. Der Ers­te Welt­krieg war aus­ge­bro­chen.

Laut Bau­an­trag vom 25. Janu­ar 1913 hat die Kir­che eine Grund­flä­che von 335,61 m² und der Turm eine Grund­flä­che von 32,45 m². Die Kir­che umfas­se nach Fer­tig­stel­lung einen umbau­ten Raum von 3 418,23 Kubik­me­ter, wäh­rend beim Turm 717,20 m³ umbau­ter Raum vor­han­den sei­en, so Archi­tekt August Mucke in sei­ner Bau­be­schrei­bung. Die Bau­kos­ten soll­ten sich auf 80 000 Mark belau­fen; letzt­end­lich waren es 86 000 Mark. Sie war ganz mit Blick auf die Zukunft erbaut. Sie sah 500 Sitz­plät­ze vor, hat­te elek­tri­sche Beleuch­tung, Was­ser­an­schluss und Zen­tral­hei­zung, was es in man­chen Atten­dor­ner Bür­ger­häu­sern zu der Zeit noch nicht gab. Sie soll­te das klei­ne Kirch­lein „in Pas­tors Gar­ten“ erset­zen, das durch das Anwach­sen der Gemein­de auf rund 1 100 Gemein­de­glie­der sonn­tags nicht mehr alle Got­tes­dienst­be­su­cher fas­sen konn­te.

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Die Erlö­ser­kir­che kurz nach der Grund­stein­le­gung

Dass sich der Zorn der Atten­dor­ner auf die evan­ge­li­schen Mit­be­woh­ner über den Bau einer eige­nen Kir­che gelegt hat­te, war auch dem klu­gen Wir­ken von Pfar­rer Schul­te-Kers­me­cke und dem Archi­tek­ten Gus­tav Mucke aus Hagen zu ver­dan­ken. Wo immer es ging, beka­men Atten­dor­ner Hand­wer­ker – zumeist katho­li­schen Glau­bens – die Bau­auf­trä­ge für den Neu­bau.

Bereits am 21.Mai 1914, dem Him­mel­fahrts­tag, ertön­te das neue Geläut der sich noch im Bau befind­li­chen Erlö­ser­kir­che zum ers­ten Mal vom neu­en Kirch­turm. In das neue Geläut wur­den auch die bei­den Glo­cken ein­ge­fügt, die als Geschenk Kai­ser Wil­helm I. schon im Glo­cken­stuhl der ers­ten Kir­che gehan­gen hat­ten. So wur­de erreicht, dass das neue das glei­che Geläut war, wie es die Erlö­ser­kir­che in Jeru­sa­lem besitzt. Viel­leicht ist das auch der Grund, war­um die Kir­che den Namen „Erlö­ser­kir­che“ erhielt. Die Ent­schei­dung für die­se Namens­ge­bung lässt sich näm­lich aus den Pro­to­koll­bü­chern der Gemein­de nicht ent­neh­men.

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Der ursprüng­li­che Chor­raum

Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges erlitt die Kir­che durch den Bom­ben­an­griff des 28. März 1945 eini­gen Scha­den, eben­so wie durch die Explo­si­on der Muni­ti­on, die die Ame­ri­ka­ner im Kel­ler des ehe­ma­li­gen Rat­hau­ses hat­ten zusam­men­tra­gen las­sen. Sämt­li­che Glas­fens­ter und die Orgel wur­den arg in Mit­lei­den­schaft gezo­gen. Aber bald konn­te die Orgel wie­der benutzt wer­den. Auch die Fens­ter wur­den schnell wie­der ver­glast.

Erst 1959 wur­den jedoch die bun­ten Blei­fens­ter des Cho­res wie­der ein­ge­setzt. Ober­stu­di­en­rat Karl Mül­ler vom Rivi­us-Gym­na­si­um hat­te sie nach den ursprüng­li­chen Moti­ven: Der barm­her­zi­ge Sama­ri­ter, der ver­lo­re­ne Sohn und in der Mit­te der auf­er­stan­de­ne Chris­tus, in mühe­vol­ler Klein­ar­beit ent­wor­fen und die Her­stel­lung über­wacht. Nach­dem 1960 die Kir­che neu aus­ge­malt wor­den war, wur­den zwei Jah­re spä­ter auch die gro­ßen Sei­ten­fens­ter ein­ge­setzt.

1969 muss­te die Orgel aus dem Jah­re 1914 nun doch ersetzt wer­den. Anfang Febru­ar 1970 konn­te die neue, nach Ansicht von Kreis­kir­chen­mu­sik­wart Dr. Stü­ven aus Plet­ten­berg „kei­ne all­zu gro­ße Orgel“, dann mit ihren 14 Regis­tern über­nom­men wer­den. Sie wird bis heu­te in allen Got­tes­diens­ten und auch bei Kon­zer­ten gespielt.

1948 erhielt das „Geburts­tags­kind“ drei neue Stahl­glo­cken vom „Bochu­mer Ver­ein“, weil 1942 zwei der Bron­ze­glo­cken abge­ge­ben wer­den muss­ten. Da die­se Glo­cken fürch­ter­lich hart klan­gen, beschloss das Pres­by­te­ri­um 1992 trotz erheb­li­cher Ein­wän­de aus der Gemein­de, neue Bron­ze­glo­cken anzu­schaf­fen. Ern­te­dank­fest 1995 war es dann soweit: Zum ers­ten Mal erklan­gen die fünf neu­en Glo­cken gemein­sam mit der kleins­ten, die bereits mit in der ers­ten Kir­che zum Got­tes­dienst ein­lud. Da die Glo­cken mit denen der katho­li­schen Kir­chen­ge­mein­de abge­stimmt wur­den, erklin­gen seit­dem zu beson­de­ren Anläs­sen die Glo­cken der Stadt „in geschwis­ter­li­chem Klang“, wie es der dama­li­ge Pfar­rer Ekke­hard Bert­ram bei der lit­ur­gi­schen Seg­nung aus­drück­te.

Im Rah­men der not­wen­di­gen Grund­sa­nie­rung wur­den der Erlö­ser­kir­che 1995 die in der Ori­gi­nal­zeich­nung vor­ge­se­he­nen vier Turm­uh­ren gege­ben. Das Turm­kreuz erhielt eine neue ver­gol­de­te Kugel, in der die Urkun­de über die Außen­sa­nie­rung ver­sie­gelt wur­de. Außer­dem schwebt als krö­nen­der Abschluss nun wie­der ein nach den alten Vor­la­gen ver­gol­de­ter Hahn über dem Turm der Erlö­ser­kir­che.

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Die Erlö­ser­kir­che prägt seit 110 Jah­ren den Nor­den des Klos­ter­plat­zes der Han­se­stadt Atten­dorn

Nach­dem die Kir­che von außen saniert war, ging man mit Eifer an die Sanie­rung des Innen­rau­mes. Im Mai 1997 fei­er­te die Gemein­de in der Kir­che mit ihrem mehr als 25 Jah­re alten „Out­fit“ den letz­ten Got­tes­dienst, bevor sie am Refor­ma­ti­ons­tag (31.10.) in neu­em Glanz mit einem Fest­got­tes­dienst wie­der eröff­net wer­den konn­te.

Nach Abspra­che mit den Denk­mal­schüt­zern wur­de der Umfang der Restau­rie­rung und Aus­ma­lung mit einem Kos­ten­vor­anschlag von rund 630 000 DM fest­ge­legt.

Die Lis­te der Arbei­ten reich­te vom Ent­fer­nen der unan­sehn­li­chen grau­en Far­be an den Empo­ren aus den 60-er Jah­ren, dem Neu­an­strich des gesam­ten Gestühls bis hin zur Grund­über­ho­lung der Orgel und einer neu­en Hei­zung. Neu instal­liert wur­de auch die gesam­te Beleuch­tung. Ent­ge­gen aller Annah­men der Fach­leu­te zeig­te sich bei den Arbei­ten, dass noch vie­le Res­te der ursprüng­li­chen Jugend­stil-Aus­ma­lung vor­han­den waren. So ent­schloss sich das Pres­by­te­ri­um zu einer Innen­aus­ma­lung in Anleh­nung an die Erstaus­ma­lung. Ledig­lich der Chor­raum erhielt statt des dun­kel­blau­en Ster­nen­him­mels wie bei der ers­ten Reno­vie­rung wie­der einen cre­mi­gen Anstrich, was das gan­ze Kir­chen­schiff heu­te hel­ler erschei­nen lässt.

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Alles in allem hat der Bau die­ser Kir­che allen Befürch­tun­gen zum Trotz auch dazu bei­getra­gen, das Ver­hält­nis zwi­schen den evan­ge­li­schen und katho­li­schen Bür­ge­rin­nen und Bür­gern der Han­se­stadt zu ent­kramp­fen, so dass man heu­te auf bei­den Sei­ten jeweils von der Schwes­ter­ge­mein­de spricht.

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Die lan­ge Rut­sche war mit einer der Höhe­punk­te für die Kleins­ten der Gemein­de

Wie es sich für eine zünf­ti­ge Geburts­tags­fei­er gehört, fei­er­ten die Gemein­de­glie­der – trotz eines hef­ti­gen Regen­schau­ers zwi­schen­durch – mit Grill­würst­chen, Lin­sen­sup­pe, Kaf­fee und Kuchen sowie frisch geba­cke­ne Waf­feln. Auch für die ent­spre­chen­den Geträn­ke war reich­lich gesorgt.

Für die Jüngs­ten der Gemein­de gab es zudem eine Hüpf­burg, eine lan­ge Rol­len­rut­sche, zahl­rei­che Spiel­ge­rä­te und den Zir­kus Pom­pitz, was dafür sorg­te, dass der Nach­mit­tag nie­man­den lang­wei­lig wur­de.


Fotos und Repros: Karl-Her­mann Ernst

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