Vor einem Jahr, am 24.02.2022, begann der Krieg hier in Europa. Ausgelöst von einem machtgierigen Radikalen. Beim Festakt zum 125-jährigen Jubiläum der Attendorner SPD, der vor gut 2 Jahren hier in Attendorn stattfand, habe ich in meiner Festrede an eine wichtige Tatsache erinnert, Ich habe darauf hingewiesen, dass unser demokratischer Staat nur so stark sein kann wie die demokratische Stabilität des Bürgers.  Für diese Stabilität standen und stehen viele Menschen mit Ihrer eigenen Biografie und gegenwärtig. Für viele stand und steht fest, dass Demokratie nicht nur ein System ist, um Politik zu organisieren. Für Sie war, für sie ist Demokratie eine Weltanschauung. Ich teile diese Perspektive ausdrücklich. Als Demokratinnen und Demokraten blicken wir tatsächlich anders auf die Welt. Wir sehen das Recht der Menschen auf Teilhabe und Mitsprache als Ausdruck ihrer universellen Würde.

Wir sehen die Ungleichverteilung von Macht, Freiheit und Lebenschancen als Missstand. Wir erkennen die Notwendigkeit, Konflikte gerecht und zivilisiert zu lösen. Ob wir unseren Blick auf die auf die schrecklichen Kriegshandlungen in der Ukraine oder in den Iran richten: Vielerorts wird deutlich, warum die Demokratie so eine wertvolle Errungenschaft ist.

Aber, gehen wir pfleglich genug damit um?

Ich denke wir sollten achtsam sein, denn weltweit befindet sich gegenwärtig die liberale Demokratie in der Defensive. Der unaufhaltsame Siegeszug ist zu einem – zumindest – vorläufigen Ende gekommen. Stattdessen türmen sich die Aufgaben, die es anzugehen gilt. Ökonomische und ökologische, politische und militärische Krisen setzen uns und die Demokratie konstant unter Druck. Vom 11. September über die Finanz- und Eurokrise bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Konflikte und Katastrophen verschärfen weltweit Hunger und Not. Sie treiben die globale Dynamik von Flucht, Vertreibung und Migration voran. Nationalistische, populistische und antidemokratische Kräfte versuchen, aus diesen Entwicklungen politischen Profit zu schlagen.

Und das alles, während sich im Hintergrund langfristige Bedrohungslagen wie der Klimawandel und das Artensterben immer weiter zuspitzen. Die Demokratie ist gefordert. Sie muss mindestens so überzeugende Antworten bieten wie die autoritäre Konkurrenz. Und das schnell. Viele bezweifeln, dass sie das schafft. Auch in Deutschland sehen sich demokratische Institutionen einem fortschreitenden Vertrauensverlust gegenüber. In einem meiner Bücheregale befindet sich ein Buch, geschrieben von Wolfgang Thierse, dem ehemaligen Bundestagspräsidenten. Der Titel lautet: “Die verstimmte Demokratie“. Ich meine, die damalige Verstimmungsdiagnose ist ungebrochen aktuell. Leider!

Es ist an uns allen und vor allem an Politikerinnen und Politikern, das öffentliche Bild unserer aller Verantwortung zu ändern. Wie? Indem wir das Gespräch suchen, indem wir argumentieren, indem wir Klischees durchbrechen und falsche Erwartungen geraderücken. Das heißt auch, uns für Neues zu öffnen. Politik muss immer wieder neu erklärt und eingeordnet werden. Unsere Parlamente auf kommunaler, Landes,- Bundes und europäischer Ebene und ihre Mandatsträger haben dabei eine besondere Rolle. Und auch zudem eine besondere Verantwortung bei ihrer Präsentation nach außen und bei der Gestaltung des politischen Betriebes. Vor allem bei der Art, wie miteinander und übereinander geredet wird.

Wir dürfen alle eines stets nicht aus dem Blick verlieren: Demokratie lebt von Diskurs und Kompromiss. Sie braucht die Bereitschaft, Dinge aus fremden Perspektiven zu betrachten, Entscheidungen abzuwägen und zu begründen. Aber sie muss auch führen und überzeugen. Dazu braucht es klare Haltungen und Überzeugungen. Gerade wenn es darum geht, diese Demokratie gegen Populisten, Hetzer und Antidemokraten zu verteidigen! Wo Bürgerinnen und Bürger diese Eigenschaften vermissen, wächst Misstrauen.  Demokratie ist kein Schauspiel. Es geht um reale Probleme, widerstreitende Interessen und konkurrierende Lösungsvorschläge. Das muss klar werden. Dazu braucht es in der Politik eine klare Sprache, die ankommt und verständlich ist. Kein Technokraten Jargon, kein Funktionärsdeutsch, das sich hinter Fachvokabular verschanzt. Unsere Demokratie lebt von Rede und Gegenrede. Von parlamentarischer Mehrheit und parlamentarischer Minderheit. Von der Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen. Und dem Willen, verantwortungsbewusst zu wirken.Ich finde mit Blick auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland muss es uns besser gelingen, die Vielfalt unseres Landes auch in seinen Institutionen abzubilden. Nicht zuletzt, was Menschen mit Migrationsgeschichte angeht. Ein exaktes Spiegelbild der Bevölkerung müssen unsere Parlamente nicht sein. Aber sie sollten die vielfältigen Perspektiven der Menschen widerspiegeln, über deren Leben sie entscheiden. Das macht unsere Demokratie stärker. Stark ist sie bereits.

Aber damit sie es bleibt, müssen wir alle sie weiterentwickeln. Packen wir es an. Es lohnt sich für uns alle. Gemeinsam bekommen wir das hin!

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